„Das Land will wieder langsam fahren“

Der Dortmunder Mitbestimmungsforscher Jens Kersten über den „Roll-Back“ im Personalvertretungsrecht

taz: Herr Kersten, bringt das neue Personalvertretungsgesetz einen Kahlschlag bei der Mitbestimmung in der NRW-Verwaltung?Jens Kersten: Das ist kein Kahlschlag, sondern eher ein Roll-Back – der sich allerdings in den Grenzen der Verfassung bewegt. Was NRW da verändert, ist restriktiver als das bestehende Gesetz. Die Mitbestimmungsrechte der Landesbeschäftigten werden eingeschränkt.

Die Landesregierung argumentiert, man passe das NRW-Recht nur an die entsprechenden Bundesregelungen an.Das ist ja das Problem. Das Bundespersonalvertretungsgesetz ist veraltet, das bisherige NRW-Recht galt als führend in der Bundesrepublik. Kaum ein Land hatte so eine moderne Regelung wie Nordrhein-Westfalen. Dass NRW sich jetzt dem altbackenen Bundesrecht anschließt, halte ich rechtspolitisch für nicht angezeigt. Besser wäre der umgekehrte Weg gewesen: Dass der Bund das bewährte Landespersonalvertretungsgesetz aus NRW übernimmt. NRW war jahrzehntelang auf der Überholspur bei der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst – jetzt will das Land wieder langsam fahren.

Was sind die Folgen für die einzelnen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Landes?Die einzelnen Beamten, Angestellten und Arbeiter werden nicht mehr so stark an der Gestaltung der sie betreffenden Arbeits-, Personal- und Organisationsangelegenheiten beteiligt. Darüber hinaus ändert sich die Verwaltungskultur. Es entsteht eine Ungleichzeitigkeit. Auf der einen Seite ist die Verwaltung im 21. Jahrhundert angekommen – gerade in NRW mit neuen Steuerungsmodellen und der geplanten Einführung des kaufmännischen Finanzmanagements. Auf der anderen Seite wird die Modernisierung der Mitbestimmung zurückgedreht.

Das Land will Personal abbauen, um die Schuldenlast zu senken. Ist es da nicht sinnvoll, die Vetorechte der Personalräte einzuschränken?Das ist ein Irrglaube. Es entspricht immer dem Interesse des Arbeitgebers, Versetzungen und Umbesetzungen reibungsloser und schneller ablaufen zu lassen. Aber die Effektivität einer Verwaltung lässt sich dauerhaft nicht gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern – sondern nur mit ihnen.

Also ist mit dem rigideren Recht der Betriebsfrieden in der Verwaltung gefährdet?Soweit würde ich nicht gehen. Eine derartige Reform dürfte das Reformklima in den Behörden aber kaum positiv beeinflussen. INTERVIEW: M. TEIGELER