Grübeln über Gaddafi

LIBYEN Nach einer Woche Militäreinsatz wird jetzt auch eine politische Lösung des Konflikts gesucht

PARIS / BERLIN / TRIPOLIS taz/afp/rtr | Eine Woche nach Beginn des militärischen Eingreifens in Libyen suchen die Interventionsmächte jetzt nach einer flankierenden politischen Dimension. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy kündigte gestern eine „französisch-britische Initiative für eine diplomatische und politische Lösung“ für Libyen an. Die militärische Intervention habe es ermöglicht, „tausende und abertausende von Menschenleben zu retten“, die Lösung des Konflikts aber könne nicht allein militärischer Natur sein.

Der Inhalt der Initiative soll am Dienstag auf einem Außenministertreffen in London vorgestellt werden. Dazu werden auch US-Außenministerin Hilary Clinton, Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Bundesaußenminister Guido Westerwelle erwartet.

Zuvor hatte bereits die Afrikanische Union (AU) auf einem Sondertreffen mit Vertretern der Arabischen Liga in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba über eine politische Lösung für Libyen beraten. AU-Kommissionschef Jean Ping erklärte, Afrika lehne die laufende internationale Militärintervention ab. Es sei eine „Road Map“ für eine friedliche Lösung des libyschen Konflikts erarbeitet worden: sofortiger Waffenstillstand, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Zusammenarbeit mit der libyschen Regierung, Schutzmaßnahmen für die zumeist afrikanischen Ausländer und „politische Reformen, die zur Überwindung der Ursachen der aktuellen Krise notwendig sind“. Eine Delegation der Gaddafi-Regierung Libyens nahm an dem Treffen teil, nicht aber die Gegenregierung der Aufständischen. Die AU hat bereits ein Team aus fünf afrikanischen Präsidenten benannt, das in Libyen vermitteln soll, geführt von Südafrika.

Eine politische Einigung hatte es am späten Donnerstag auch über die zukünftige Führung des internationalen Militäreinsatzes in Libyen gegeben. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte in der Nacht zu gestern in Brüssel, die Nato werde in den nächsten Tagen das Kommando für die Überwachung des Flugverbots übernehmen. Die Nato überwachte bisher lediglich das Waffenembargo gegen Libyen auf dem Mittelmeer. Weil Deutschland sich daran nicht beteiligt, hatte es am Dienstag vier im Mittelmeer befindliche Kriegsschiffe abgezogen. Gestern aber hieß es in Berlin, die Bundesregierung prüfe die Rückkehr dreier Marineschiffe. Sie könnten im Mittelmeer östlich des 28. Längengrads in einem Abstand von etwa 280 Kilometern zur libyschen Küste eingesetzt werden. Denkbar sei außerdem ein Bundeswehreinsatz nach einem Ende der Waffengewalt oder nach einer Ablösung Gaddafis, außerdem eine humanitäre Mission deutscher Fregatten zwischen zwei libyschen Häfen, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin.

Offen blieb gestern, ob der Nato fortan die Führung über den gesamten Libyen-Einsatz zufällt. Dies werde in Betracht gezogen, sagte Rasmussen. „Aber die Entscheidung wurde noch nicht getroffen.“ Angriffe auf die Bodentruppen des libyschen Machthabers Gaddafi werden demnach vorerst weiterhin von der internationalen Koalition außerhalb der Nato-Strukturen geflogen.

Als erstes arabisches Land ist jetzt Katar aktiv in den internationalen Militäreinsatz in Libyen eingestiegen. Wie Katars Armee gestern erklärte, überflogen mehrere ihrer Kampfflugzeuge das Land. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben angekündigt, sich mit zwölf Kampfflugzeugen zu beteiligen.