Regierung stoppt Hilfe bei Reisefrust

Die Schlichtungsstelle Mobilität hat schon 4.300 Kunden im Streit mit Bahn- und Flugunternehmen zu ihrem Recht verholfen. Jetzt steht sie vor dem Aus. Denn die Finanzierung durch das Ministerium endet 2008. Die Wirtschaft will nicht bezahlen

VON HANNA GERSMANN

Der Ärger mit der Bahn begann im März dieses Jahres: Hubert M. kauft im Internet ein Ticket. Doch dann will er einen Tag früher reisen. Also geht er in ein Bahn-Reisezentrum. Die Mitarbeiterin notiert auf der Rückseite der Fahrkarte die neue Gültigkeit, der Schaffner fordert trotzdem 109,70 Euro nach. Hubert M. beschwert sich erfolglos – und wendet sich an die Schlichtungsstelle Mobilität. Sie vermittelt. Hubert M. bekommt 109,70 Euro zurück und einen Reisegutschein von 20 Euro.

Doch bald könnte es mit der Vermittlung vorbei sein. Denn der Schlichtungsstelle Mobilität geht das Geld aus. Gestern startete sie einen Hilferuf. Das Bundesverbraucherministerium finanziert das Pilotprojekt über drei Jahre mit 1,4 Millionen Euro. Renate Künast, die grüne Vorgängerin von CSU-Minister Horst Seehofer, hat es 2004 initiiert. 4.300 Reisekunden haben ihre Beschwerden seitdem an die sechs Schlichter geschickt, die beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) sitzen. Ab 2008, so dachte Künast einst, sollten Bahn-, Bus- und Flugunternehmen die Schlichtungsstelle finanzieren. Denn auch sie profitieren: Sie gewinnen verärgerte Kunden zurück.

Lufthansa und Co. sehen das aber ganz anders. Jürgen Kawelat aus dem Verbraucherministerium hat mit ihnen schon mehrere Gespräche geführt. Er sagt, die Bahn gebe sich „zurückhaltend“, der Bundesverband Deutscher Fluggesellschaften „ablehnend“. Dessen politische Linie gibt Air-Berlin-Chef Joachim Hunold vor. Sein Sprecher Peter Hauptvogel sagt: „Wir werden die Finanzierung nicht übernehmen.“ Er hält die Hilfe bei Reisefrust für überflüssig. „Es gibt kaum Streitfälle.“ Zudem sei das Luftfahrtbundesamt für Beschwerden der Passagiere zuständig.

„Das Luftfahrtbundesamt informiert die Unternehmen aber nur“, erklärt Juraprofessor Klaus Tonner von der Universität Rostock, der auch im Beirat der Schlichtungsstelle ist – „es prüft nicht, ob die Beschwerde berechtigt ist.“ Dabei können sich Fluggäste seit gut einem Jahr auf EU-Recht berufen. Wird ein Flug gestrichen oder ist die Maschine überbucht, werden bis zu 600 Euro fällig. Allerdings müssen die Fluggesellschaften nur reagieren, wenn keine höhere Gewalt im Spiel ist. Und das ist oft Auslegungssache. Tonner: „Die Airlines versuchen das Recht zu umgehen.“ Beim Zugfahren sei es anders, „da sind die Kundenrechte noch nicht einmal extra geregelt“, meint Tonner. Bei der Deutschen Bahn gibt es laut Geschäftsbedingungen zwar 20 Prozent des Fahrpreises zurück, wenn sich ein Fernzug um eine Stunde verspätet. Sonst sind Reisende aber auf Kulanz angewiesen.

So haben die Schlichter alle Hände voll zu tun. Flüge werden gestrichen, Maschinen sind überbucht. Auch Probleme mit dem Bahn-Card-Abo und immer wieder die Entschädigung für verspätete Züge landen auf ihrem Tisch. Das Mobilitätsgremium versucht innerhalb von drei bis vier Wochen zu vermitteln. Halten muss sich an ihren Vorschlag aber niemand. „Air Berlin, German Wings oder Easy Jet haben noch nie kooperiert“, sagt Schlichterin Birigt Zandke-Schaffhäuser. Dem Kunden bleibe die Klage. Doch das sei vielen zu teuer – und die Gegenseite habe viele Anwälte.

„Der Staat hat dafür zu sorgen, dass der Kunde sein Recht bekommt“, meint Jurist Tonner. In Österreich ist eine Schlichtungsstelle Mobilität per Gesetz vorgeschrieben. Sie wird allein von der Regierung finanziert. Jürgen Karwelat vom Verbraucherministerium sagt dazu jedoch: „Dazu haben wir keine konkreten Pläne“.

Informationen unter www. schlichtungsstelle-mobilitaet.de