So klappt’s auch

... mit dem Onlinedating

VON SASKIA HÖDL
(TEXT) & ELÉONORE ROEDEL (ILLU)

Es ist ein sonniger Samstag und ich sitze im Park neben einem jungen Mann. Wir unterhalten uns. Es fühlt sich seltsam an, denn wir haben uns noch nie gesehen – und doch sind wir uns nicht zufällig begegnet. In den Wochen zuvor haben wir etwa zweihundert E-Mails gewechselt. Wir wissen viel übereinander, mögen einander und doch kennen wir uns nicht. Er hat Wein und zwei Gläser mitgebracht, stellt Fragen, während ich verlegen meine Schuhspitzen betrachte. Später wird er sagen, dass er meine Schüchternheit für Kratzbürstigkeit hielt. Später, als wir längst in einer Beziehung sind und die Geschichte, wie wir uns kennengelernt haben, wieder und wieder Freunden und Familie erzählen müssen. Das dauert dann jedes Mal eine Weile, denn die Fragen sprudeln nur so, sobald wir erklären, dass wir einander im Internet kennengelernt haben.

Ist doch unromantisch

„Was musstest du bezahlen?“, hatte seine Mutter ihn gefragt, als er ihr zum ersten Mal von mir erzählte. Bei Internetbekanntschaften wird sofort assoziiert, dass es sich um eine der viel beworbenen Partner- oder Singlebörsen handelt, die gegen Gebühr und persönliche Angaben die möglicherweise passenden Partner ermitteln sollen. „Das ist doch unromantisch“, sagte eine meiner Freundinnen und mein Mitbewohner meinte, das sei „etwas für Verlierer, die es nicht auf eigene Faust schaffen“.

Aber so ist das heute nicht mehr. Es gibt auch stilsichere Varianten, um sich auf dem Online-Singlemarkt zu bewegen. Mit imgegenteil.de wurde eine hübsche Single-Seite geschaffen, die sich vor Anfragen inzwischen kaum retten kann. Die Bewerber werden von Anni und Jule, den beiden Gründerinnen der Seite, begutachtet und ausgewählt. „Es gibt keine bestimmten Kriterien, aber wir können doch an den Texten und an den Fotos erkennen, wer es ernst meint und wer nicht“, erklärt Anni. Jule ist für den optischen Teil verantwortlich, sie macht Fotos der Singles, in und außerhalb der eigenen vier Wände. Anni schreibt kurze Porträts über die Erfahrungen, Lebensweisen und Eigenheiten der Anwärter.

Das Besondere an imgegenteil.de ist, dass man zwar seine Wohnung aufräumen und gut überlegen kann, was man erzählt. Das Endprodukt ist jedoch weitgehend dem eigenen Einfluss entzogen. Man kommt erst gar nicht in die Verlegenheit, sich schlechter oder besser zu machen, als man ist. Es spielt keine Rolle, wie groß man exakt ist, welche Augenfarbe man hat und man muss sich auch keinem psychologischen Test unterziehen. Der Single bewahrt seine Würde. Besucher der Seite, die sich für jemanden interessieren, können ihr oder ihm per Kontaktformular schreiben. Alles weiter bleibt den Singles überlassen.

Als mein Porträt kurz nach Weihnachten 2013 auf der Seite online ging, hielten sich die Anfragen in Grenzen. Die Seite war neu und es waren Feiertage – zumindest erklärte ich mir so die eher geringe Ausbeute. In den kommenden Wochen wurden es nicht viel mehr, aber es waren interessante Menschen dabei. Vom Universitätsprofessor über den Künstler bis hin zum Anwalt. Ihr Alter lag zwischen Mitte zwanzig und Ende dreißig, fast alle hatten ein geregeltes Leben und einen Job. Natürlich erhielt ich auch mal Anfragen, deren Kürze mehr über die nicht ganz ernsten Absichten verriet als der Inhalt, aber das waren nicht viele. Ich musste auswählen, wem ich antworte oder wem ich gleich absage. Die meisten Singles der Seite versuchen, allen zu antworten, denn es sind oft sehr aufwändige und nette Zuschriften dabei, mit Foto und viel Persönlichem.

Anni und Jule arbeiteten am Anfang zu zweit, doch es wurden immer mehr Anfragen und sie mussten sich Unterstützung suchen. Die beiden haben eine Marktlücke entdeckt. Denn die stilvolle Ausführung der Seite befreit das Onlinedating von jeglicher Peinlichkeit.

Die Singles der Seite wirken nicht wie mangelhafte Beziehungsware, es sind junge Menschen aus den deutschen Großstädten, die ein Berufs- und Privatleben haben, das nicht unbedingt darauf ausgelegt ist, jedes Wochenende in einer Bar zu sitzen, um mal jemanden kennenzulernen.