King of the Kombizange

Eugen Weizengeiger verzaubert mit seinen Installationen die New Yorker Kunstwelt

Tapfer lächelt der Künstler ins Blitzlichtgewitter und beantwortet brav alle Fragen

Eugen Weizengeiger hat es geschafft. Höher geht es nicht. Er ist im Olymp angekommen – im New Yorker Museum of Modern Art hat er als erster deutscher Gas- und Wasserinstallateur eine Einzelausstellung bekommen. Und Eugen Weizengeiger weiß noch nicht so recht, wie ihm geschieht.

Der ganze Rummel um seine Person ist ihm fremd und auch schon ein bisschen zu viel – ihm, dem schwäbischen Handwerker, der sich im Blaumann, bewaffnet mit Rohrzange, Zollstock und Klemmschelle, immer noch am wohlsten fühlt. Aber der internationale Ruhm fordert seinen Tribut. Also lächelt Eugen Weizengeiger tapfer ins Blitzlichtgewitter und beantwortet brav alle Fragen zu seinen Werken. Und es gibt viele Fragen, denn Weizengeiger ist der Shooting Star der diesjährigen amerikanischen Kunstsaison. Galeristen und Sammler überbieten sich gegenseitig und zahlen Fantasiepreise für seine kunstvollen Rohrarrangements.

Dabei hat alles ganz bescheiden angefangen. 1962 erblickt Eugen in Zuffenhausen das trübe Licht des Neckartals. Früh schon zeigt sich, dass seine Berufung das väterliche Handwerk ist. Sein Vater ist Flaschner, wie es im Schwäbischen heißt, und er führt ihn früh in die Wunderwelt der Wasserinstallation ein. Für den kleinen Eugen sind es Rohre, die die Welt bedeuten. Wenn die anderen Kinder Fußball spielen, studiert er hingebungsvoll die Technik der Schraubverbindung, später dann, als seine Altersgenossen die ersten amourösen Abenteuer erleben, bastelt er lieber in der Werkstatt. Mit 16 verlässt er die Schule, um beim Vater in die Lehre zu gehen. Drei Jahre später hat er als Jahrgangsbester seine Ausbildung abgeschlossen. Jetzt könnte er in Ruhe eine Anstellung suchen, eine Familie gründen, später den Betrieb des Vaters übernehmen. Aber Eugen will mehr. Er ist noch hungrig, kann sich nicht mit täglicher Routinearbeit zufriedengeben. Fieberhaft experimentiert er mit neuartigen Klemmtechniken, bald schon gilt er als Meister dieser wohl schwierigsten Disziplin seines Handwerks. Es entstehen die ersten Installationen, die seinen Ruf begründen.

Wobei auch er nicht vor Rückschlägen gefeit ist. Beim allzu kühnen Versuch, eine Waschmaschine erstmalig schlauchlos an die Wasserleitung anzuschließen, geht er im wahrsten Sinne des Wortes baden. Auch bei seinem nächsten Projekt, dem „kubistischen Gasherd“, scheitert er kläglich. Eine kleinere Gasexplosion kostet ihn fast das Leben, zumindest aber die Zulassung der Innung. Aber Eugen lässt sich nicht beirren. Mittlerweile aus den Reihen seiner Zunftgenossen ausgestoßen, verlegt er sich nun ganz auf die künstlerische Interpretation der aus nachvollziehbaren Gründen immer rarer werdenden Aufträge.

Heute jedoch werden für die visionären Werke der „Blaumann-Periode“ des frühen Weizengeiger horrende Summen gezahlt. Die Reparatur eines Wasserrohrbruchs im Hause des Weihbischofs Erlinger etwa gerät ihm zu einer irritierenden Rohrführung, die der Kurator des MoMA mit den Worten „impressionistisch inspiriert“ nur unzulänglich charakterisiert. Den Anschluss eines profanen Durchlauferhitzers in der Umkleidekabine des FC Dettelsbach adelt Weizengeiger mit einer an die großen Expressionisten erinnernden Quetschverbindung. Der Einbau einer Gastherme im Hause seines Schulkameraden Willi Bürkle schließlich wird unter seinen Händen zu einer Verbeugung vor den Großmeistern des italienischen Futurismus, eine Hommage an die Kunst der „Großen Schleife“.

In den langen Jahren leidenschaftlichen Ringens um die ultimative Rohrführung erwirbt er sich den Ruf eines Flaschnerfürsten und Gentleman-Installateurs, dessen logische Konsequenz die große Retrospektive im Museum of Modern Art ist. Doch auch jetzt, inmitten des glamourösen Trubels der Vernissage, ist Weizengeiger der Ruhm nicht zu Kopf gestiegen, ist er ganz der bodenständige schwäbische Handwerker geblieben, der zupackt, wenn Not am Mann ist. Als er auf der Herrentoilette des MoMA bemerkt, dass die Wasserspülung nicht ordnungsgemäß funktioniert, greift er, ohne zu zögern, zur Zange und behebt den Schaden unter gebannter Anteilnahme des vom Kurator der Ausstellung eilig herbeigerufenen Vernissagenpublikums.

Der „King of the Kombizange“, wie ihn die New York Times am nächsten Tag ehrfürchtig auf ihrer Seite eins titulieren wird, hat einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Kunst von Können kommt. Mit einer leichten Verbeugung bedankt sich Eugen Weizengeiger für den tosenden Beifall des Publikums – und drückt den wieder einwandfrei funktionierenden Spülungsknopf. RÜDIGER KIND