Liebeserklärung: Ihr Kinderlein, kommet
Eine alte Debatte flammt wieder auf: Die Schweiz soll südliche Bundesländer und Nachbarsprovinzen vereinen
Liebe Helvetia, wie gut du doch bist. So unscheinbar klein, doch ein großes Vorbild für viele. Ghaddafis Forderung, dich in Stücke aufzuspalten und an die Nachbarländer zu verteilen, war ein Witz. Denn sie wollen ja alle zu dir.
Die vor vier Jahren noch belächelte Debatte über eine Großschweiz wurde jüngst von der Neuen Zürcher Zeitung wieder aufgegriffen. Umfragen zeigen: Baden-Württemberg, Sardinien, Südtirol, sie alle haben bereits Sympathie bekundet. Und sie dürfen. Ja kommet, ihr Kinderlein, doch lasset die EU draußen.
Behütet sollst du sein vor den Versuchen, dich der EU einzuverleiben. Welche Pein für den Patriotismus, welche Niederlage für die Neutralität.
Liebe Helvetia, wie schön du doch bist. Einzig fehlt dir ein Meer. „Weg mit den Bergen, freie Sicht aufs Mittelmeer“ – das haben schon die Punks aus den 1980er Jahren gefordert. Aber nicht du musst über die Gipfel hinausgucken, sondern die Nachbarn zu dir hinüber. Es sind schon alle ganz blass vor Neid auf den starken Franken, die direkte Demokratie und vor allem auf die Schweizerische Volkspartei (SVP), deine rechte Hand. Sie behütet dich mit gekonnter Manipulation der Bevölkerung vor falschen Religionen, schwarzen Schafen und Arbeitsschmarotzern. Sie tut es für dich. Ihr wäre auch eine Vergrösserung zu verdanken, denn sie hatte den Mut, in der Öffentlichkeit für eine Erweiterung des Schweizer Souveranitätsmodells zu werben.
Liebe Helvetia, wie viel Unrecht dir getan wird. Man bezeichnet dich als fremdenfeindlich, doch du würdest alle Nachbarn aufnehmen, wenn sie nur wollten. Weg mit der komplizierten Kontingentierung, wir wären von nun an alle eins. Bern wäre das neue Brüssel, und deine Bevölkerung könnte auf rund 40 Millionen Menschen anwachsen. Und alle würden sie in der Schweiz arbeiten. Welch helvetischer Traum. SAMANTA SIEGFRIED
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