Konsequent, weil transparent

Mal führt er die technische Reproduzierbarkeit der Fotografie ad absurdum, mal benutzt er die Ikonografie der Minimal Art für seine Alltagserkundungen: Das Haus am Waldsee zeigt Arbeiten des in Berlin lebenden britischen Künstlers Jonathan Monk

VON KITO NEDO

„Ich bin an den Möglichkeiten der Reproduktion und Replikation von Fotografien sehr viel mehr interessiert als an ihrer Produktion“, sagt der britische Künstler Jonathan Monk über sein Verhältnis zur Fotografie. Gleich im ersten Raum seiner Berliner Einzelausstellung im Haus am Waldsee, die zuvor auch schon in Hannover, St. Gallen und Nürnberg gezeigt wurde, konfrontiert er die Besucher mit fünfzig Versionen ein und derselben Porträtfotografie, die er in fünfzig verschiedenen Fotolaboren weltweit abziehen ließ. Nun hängen sie als „Selfportrait #6 (10 x 15 glossy)“ aus dem Jahr 2002 ordentlich gerahmt nebeneinander und unterscheiden sich in Kontrast, Helligkeit und Farbigkeit mitunter erheblich. Womit der Beweis erbracht wäre, dass sich auch technisch reproduzierte Kunstwerke nicht unterschiedslos gleichen müssen.

An solchen minimalistischen Experimenten scheint der 1969 in Leicester geborene Künstler, der seit einigen Jahren in Berlin ansässig ist, große Freude zu haben. Auch im nächsten Raum hängt eine Serie, die mit fotografischer Vervielfältigung spielt: Für die 2005 entstandene Arbeit „One in Ten in One (tree)“ fotografierte er den Deckel einer Zehnerpackung Ilford-Fotopapier, um anschließend das in der Box befindliche Material mit genau diesem Motiv zu belichten. Das konsequent selbstreferenzielle Spiel betreibt Monk schon seit seiner Studienzeit an der Glasgow School of Art, wo er in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern gemeinsam mit Leuten wie Simon Starling oder Douglas Gordon Kunst studierte. Wer, so scheint Monk zu fragen, hat eigentlich festgelegt, dass Fotografen immerzu neue oder unerhört interessante Motive zu suchen hätten? Man müsse sich bei der Arbeit vollkommen dessen bewusst sein, was man tut, forderte Henri Cartier-Bresson 1952. Auch wenn es damals anders gemeint gewesen sein dürfte: Auf Monk trifft dies zu.

Ähnlich wie die Ilford-Serie funktionieren auch seine „Feriengemälde“ aus den Neunzigerjahren. Es sind verschiedene Last-Minute-Angebote für sonnige Ziele (Teneriffa, Korfu, Costa del Sol etc.), die Monk in Reisebüros gefunden und mit Ölfarbe auf die Leinwand übertragen hat. Wobei einem Monks Galeristen bei aller Liebe zum Einfall eher Leid tun können. Denn neben dem schier unerschöpflichen Motivreichtum erledigte sich auch die Frage nach der Preisgestaltung gewissermaßen von selbst: Monk übernahm einfach die verlockenden Offerten der Reiseveranstalter für seine Gemälde: 189, 299 oder 379 Pfund. Im Vergleich zur undurchsichtigen Preisfindung auf dem Kunstmarkt ist dies bei aller Zufälligkeit eine erfrischend transparente Methode der Preisdefinition!

Auch die jüngere Kunstgeschichte, besonders Minimal- und Konzeptkunst der Sechziger- und Siebzigerjahre nutzt der Brite gern als Bezugssystem. Mehr noch, von Raum zu Raum stellt man immer wieder fest, dass der Wille zur Referenz den größten Teil des Monk’schen Werks beherrscht. Haben studierte KunsthistorikerInnen daran mehr Spaß? Oder ärgern sie sich vielleicht mit geballten Fäusten in den Hosentaschen über so viel Fröhlichkeit, mit der hier in den vergangenen Jahrzehnten gewildert wird?

Von Respektlosigkeit werden wohl nur die Verbissenen sprechen, wenn Monk etwa einen Würfel des amerikanischen Minimalisten Sol LeWitt, wie zur Erklärung heißt, „mit Hilfe von neun unterschiedlichen Lichtquellen sowie all ihre Kombinationen von vorne nach hinten nach vorne für immer und ewig“ durchfotografiert und daraus einen zwanzigsekündigen 16-mm-Film produziert.

Dabei zeigt sich jedoch, dass der Künstler das „Betriebssystem Kunst“ als Open-Source-Projekt begreift, dessen Quellen man über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg für die eigenen Ziele nutzen, erweitern und weitergeben darf. So erinnern die „Verabredungen in der Zukunft“, die in großen Lettern an den Wänden der Ausstellungsräume verstreut sind, zunächst vor allem formal an den New Yorker Konzeptualisten Lawrence Weiner, der seit den Sechzigerjahren das Publikum mit einbezieht, indem er seine Arbeiten auf die verschriftliche Ideen und somit auf den Akt des Lesens reduziert.

Tatsächlich gibt es bei Monk die Möglichkeit, in die Produktion seiner „Meetings“ sogar ganz körperlich einzugreifen – indem man beispielsweise am 4. Februar 2019 bei Sonnenuntergang an der Siegessäule aufkreuzt – oder nicht. Wer noch nicht weiß, ob an diesem Tag vielleicht was anderes Wichtiges ansteht, kann ja sicherheitshalber erst mal diese gelungene Ausstellung im Haus am Waldsee besuchen.

Jonathan Monk: „Yesterday today tomorrow etc.“, bis 18. 2. 20007, Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, täglich von 10 bis 18 Uhr. Im Revolver Verlag Frankfurt ist ein Katalog zur Ausstellung erschienen