Nato lässt Deutschland in Frieden

Für die Bundesregierung ergeben sich aus den Ergebnissen des Nato-Gipfeltreffens in Riga „keine neuen Verpflichtungen“ in Afghanistan. Überraschend lädt der Gipfel auch Serbien zur Beteiligung am Programm „Partnerschaft für Frieden“ ein

AUS RIGA ANDREAS ZUMACH

Die seit Wochen heftig umstrittene Lastenverteilung zwischen den an der Isaf-Mission in Afghanistan beteiligten Mitgliedstaaten der Nato bleibt auch nach dem Gipfel der Allianz in Riga nahezu unverändert. Die USA, Kanada und Großbritannien, die im Süden einen eskalierenden Krieg gegen die Taliban führen, erreichten nichts mit der Forderung nach Verstärkung durch deutsche, französische, spanische und italienische Kampftruppen aus dem Norden und Westen Afghanistans. Der Nato-Oberkommandierende, US-General James Jones, drängte die 26 Mitglieder der Allianz, „mehr zu tun zur Bekämpfung der Opiumproduktion, des größten Krebsgeschwürs in Afghanistan“. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte auf Nachfrage der taz an, die Bundesregierung werde sich während der kommenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU und der G 8 für verstärkte Anstrengungen gegen den Opiumanbau engagieren.

„Alle an der Isaf-Mission beteiligten Nato-Staaten sind bereit, in extremen Notfällen einander ohne Einschränkung Unterstützung zu leisten.“ Mit diesem Satz im Schlusskommuniqué des Gipfels wurde der Streit um die Lastenverteilung zunächst zumindest oberflächlich beigelegt. Wann ein „extremer Notfall“ vorliegt , entscheide „allein der Isaf-Kommandeur“, erklärte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Offen blieb aber, ob über dieses Verfahren und über die laut Nato-Militärs „schriftlich fixierte Definition“ eines Notfalls tatsächlich ein praxistauglicher Konsens unter den 26 Mitgliedstaaten existiert.

Bundeskanzlerin Merkel erklärte, aus dem Gipfelergebnis ergäben sich für Deutschland „keine neuen Verpflichtungen“. Logistische Unterstützung für die Truppen der Nato-Partner im Süden Afghanistans sei auch bislang geleistet worden. Die Entsendung von Kampftruppen in den Süden Afghanistans bleibe weiter ausgeschlossen. Entsprechend äußerten sich in Riga auch die Regierungschefs Frankreichs, Spaniens und Italiens.

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer verkündete, dank der auf dem Gipfel erzielten Vereinbarungen könnten künftig 26.000 der 32.000 in Afghanistan stationierten Truppen aus Nato-Ländern vom Kommandeur der Isaf „flexibler eingesetzt werden als zuvor“. Nach Informationen der taz aus dem Militärausschuss der Nato war allerdings bis zum Gipfel noch keine der über 100 bestehenden nationalen Einsatzbeschränkungen für die in Afghanistan stationierten Truppenverbände der Nato formal aufgehoben worden. Im Vorfeld des Gipfels hatten lediglich Luxemburg, Rumänien, Slowenien und die Niederlande die Aufhebung oder Veränderung bestimmter Restriktionen angekündigt. Zumindest ein Teil der zusätzlichen 2.500 Kampftruppen für den Süden Afghanistans, die General Jones und Generalsekretär Scheffer noch bis unmittelbar vor dem Gipfel als unerlässlich gefordert hatten, wird zunächst voraussichtlich durch die USA und Polen gestellt.

Neben dem Oberkommandierenden General Jones betonten auch andere Nato-Militärs in Riga, dass eine dauerhafte Stabilisierung Afghanistans ohne eine erfolgreiche Bekämpfung der Opiumproduktion nicht denkbar sei. Nach jüngsten Zahlen der Weltbank und des UNO-Drogenprogramms wird derzeit auf vier Prozent der Fläche Afghanistans der Mohn für 90 Prozent der weltweiten Opiumproduktion angebaut. Allein im Jahr 2006 stieg der Mohnanbau um 50 Prozent gegenüber 2005; die Opiumproduktion nahm um 60 Prozent zu. Mindestens ein Drittel der Wirtschaftsleistung Afghanistans wird durch das Drogengeschäft erbracht.

Hauptnutznießer des Geschäfts sind die Taliban sowie verschiedene regionale Warlords. Ein Großteil der Staatsbeamten in Kabul und in Provinzregierungen ist durch Drogengelder korrumpiert. Angesprochen auf die Mahnungen der Militärs, die Anstrengungen zur Bekämpfung des Drogenanbaus zu verstärken, betonte der Sprecher von Generalsekretär Scheffer allerdings, die Nato sei für dieses Problem „nicht zuständig“.

Überraschend beschloss der Gipfel, nicht nur die Balkanstaaten Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro, sondern auch Serbien zur Teilnahme am Nato-Programm „Partnerschaft für Frieden“ einzuladen. Die Einladung an Serbien stieß auf scharfe Kritik der Chefanklägerin des UNO-Kriegsverbrechertribunals für das frühere Jugoslawien, Carla del Ponte. Del Ponte hatte bislang die verbindliche Zusage der Nato, dass diese Einladung erst erfolgen werde, wenn der vom Tribunal seit über zwölf Jahren gesuchte und – mutmaßlich in Serbien versteckte – ehemalige bosnisch-serbische Nationalistenführer Radovan Karadžić und sein General Ratko Mladić an das Tribunal ausgeliefert sind.