Hungerlohn für Kinderbetreuung

Seit der Anpassung ans Kita-System haben viele Tagesmütter weniger Geld im Portemonnaie. Sozialbehörde spricht von erhöhtem Mittelwert, doch auch da liegt der Stundenlohn unter zwei Euro

VON KAIJA KUTTER

Hamburg braucht Tagesmütter. Im Dezember startete die Sozialbehörde eine Plakatkampagne, die Resonanz war nicht groß. Die Behörde spricht von etwa 500 Anrufen, neu gewonnen als Tageseltern wurden aber nur 27 Menschen. Die gedämpfte Nachfrage könnte an der Bezahlung liegen. Nach taz-Informationen beschwerten sich Frauen, es sei frech, für welchen „Hungerlohn“ sie arbeiten sollten.

Die GAL-Familienpolitikerin Christiane Blömeke hat durch Kleine Anfragen zum Thema eine interessante Entdeckung gemacht. Demnach hat der CDU-Senat seit 2001 die Tagespflegesätze deutlich gesenkt.

Die Finanzierung erfolgt nach einem kompliziertem Modell. Es gibt ein „Erziehungsgeld“ als Anerkennung für die Leistung der Tagesmütter, das von seiner Höhe her einem Taschengeld gleicht und seit 2003 wiederum in „Qualifikationsstufe 1“ für normale und „Qualifikationsstufe 2“ für fortgebildete Tagesmütter unterteilt wurde. Und es gibt ein „Pflegegeld“ für das Kind, von dem Nahrung und Spielzeug sowie anteilige Kosten für Raum und Heizung beglichen werden müssen. Blömekes Erkenntnis: Sowohl Pflegegeld als auch Erziehungsgeld sind von 2002 auf 2003 gesunken. So erhielt eine Tagesmutter, die ein Kind 20 Stunden die Woche betreute, damals 99,70 Euro Erziehungsgeld im Monat, heute dagegen nur sind es nur noch 92,40 Euro, und wenn sie Qualifikationsstufe 1 angehört gar nur 77 Euro. Auch bei einer 30 stündigen Betreuung pro Woche senkte sich der Betrag von 152,30 Euro auf 141,60 für Stufe 2 und 118 Euro für Stufe 1 ab. Einzig besser bezahlt wird Tagespflege für Krippenkinder, die der Senat gezielt fördern wollte.

„Mir ist damals gleich aufgefallen, dass ich weniger Geld hatte“, erinnert sich Tagesmutter Anja Reinke aus Winterhude. „Aber das Jugendamt sagte mir, das sei eine Ausnahme und werde sich wieder ändern.“ Inzwischen aber, wo vieles teurer wurde, deckten die Einahmen kaum noch die Kosten für die Kinder. Denn auch das Pflegegeld wurde gekürzt, bei einem 20-Stunden-Kind von 90,50 Euro auf 78 Euro. „Es gibt Kinder“, sagt Reinke, „da muss ich vom Erziehungsgeld was zuschießen, um Essen und Pflege zu bezahlen“. Sie hat zur Zeit fünf Kinder. Die ihr sehr liebgewordene Arbeit wäre ein bald „teures Hobby“.

In der Folge bilde sich ein „grauer Markt“. Viele Tagesmütter würden die Kinder privat, ganz ohne staatlichen Zuschuss nehmen. In reichen Stadtteilen wie Eppendorf koste dies bereits 7 Euro pro Kind und Stunde. Reinke findet dies bedenklich: „Das führt dazu, dass ärmere Eltern keine Tagesmutter mehr abbekommen.“

Sozialbehördensprecher Rico Schmidt hat eine Erklärung für den Knick in Blömekes Tabellen. So habe es „real“ eine „Steigerung“ von Pflege- und Erziehungsgeld gegeben. Im Jahr 2003 seien neue Zeitstufen eingeführt worden, um die Tagespflege an das Kita-System anzupassen. Gab es vorher für 15 bis 24, 25 bis 34 und 35 bis 43 Stunden pro Woche je einen Tagespflegesatz, so galten die oben erwähnten Sätze seither für neue Zeitstufen von elf bis 20 Stunden, 21 bis 30 Stunden und 31 bis 40 Stunden pro Woche. Die Behörde errechnet nun einen „Wochenstundenmittelwert“, teilt diesen durch die Tagespflegesätze und kommt zumindest in Qualifikationsstufe 2 zu einem leicht erhöhten Erziehungsgeld: bei 20 Stunden pro Woche von 1,27 Euro auf 1,49 Euro. Für Qualifikationsstufe 1 gibt es selbst nach Schmidts Zahlen heute weniger Geld als 2002.