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: Bissinger, di Lorenzo und die Dusche

Die Zeit beziehungsweise ihre Autoren sehen sich in jüngster Zeit mit einer kleinen, feinen Auswahl von Prozessen oder sogenannten Einstweiligen Verfügungsverfahren konfrontiert – sie spielen interessanterweise in der bunten weiten Welt der Medienberichterstattung von Deutschlands wichtigster Wochenzeitung. Das ist zum einen bemerkenswert, weil die Zeit seit einigen Jahren auf eine dezidierte Medienseite verzichtet.

Und auf der anderen Seite alle Artikel zu Medienthemen der Chefredaktion zur vorherigen Begutachtung vorgelegt werden müssen. Diese Praxis, die Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in der taz ausdrücklich bestätigte, hatte bereits Theo Sommer eingeführt – und mit Blick auf den langjährigen ehemaligen Vorstandschef von Gruner + Jahr gesagt, er „wolle nicht von Schulte-Hillen unter der Dusche erwischt werden“, wie di Lorenzo erläuterte (taz vom 11. 9. 2006).

Doch nun hat es das Blatt wieder unter der Dusche erwischt: Im Online-Auftritt von www. zeit.de findet sich seit ein paar Tagen eine nicht uninteressante Gegendarstellung zu einer Zeit-Geschichte vom Januar, die sich höchst kritisch – und einigermaßen tendenziös mit dem Spiegel auseinandersetzte. Niemand Geringeres als Manfred Bissinger, einst Chef der leider untergegangenen Woche, warf da zum 60. des Nachrichtenmagazins vor allem dessen Mitarbeiter KG und deren Sprecher Thomas Darnstädt nicht eben Nettigkeiten an den Kopf: Die KG, der 50,5 Prozent der Spiegel-Anteile gehören, hätte laut Bissinger „sofort auf Aust verzichtet“. Doch die erklärt in Sachen Spiegel-Chefredakteur nun: „Wir wollten und wollen nicht auf Aust verzichten“, auch die angeblich von der Mitarbeiter KG betriebene Entlassung von Spiegel-Verlagsgeschäftsführer Karl-Dietrich Seikel, weil „er sich dem von KG-Chef Darnstädt gewünschten Sturz Austs entgegenstellt“, findet sich gegendargestellt, eine gedruckte Fassung soll in der Zeit am Donnerstag folgen.

Hintergrund sind die Machtspielchen bei der laufenden Neuwahl der Mitarbeiter-KG-Vertreter, bei denen auch Austs Intimus Gabor Steingart, der Leiter des Berliner Spiegel-Büros, seinen Hut in den Ring geworfen hat. Austs Vertrag wurde zwar eben noch verlängert – kann aber zwei Jahre vor Ablauf noch mal überprüft werden. Bissingers Artikel ist eine reichlich offene Kampagne für das Aust-Camp. Dass sie die strenge Zeit-Chefredaktions-Hürde übersprang, mag an einem anderen Lieblingsthema der Branche liegen: Nach dem irgendwann dann ja doch anstehenden Abschied des heute 60-jährigen Aust soll sich nämlich niemand anderes Hoffnungen auf den Posten machen – als Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo.

STEFFEN GRIMBERG