die taz vor zehn jahren über den niedergang der spd in den großstädten
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Aus den hessischen Kommunalwahlen lässt sich bestimmt kein Bundestrend herausfiltern. Sie waren keine „Testwahl“ für den Bund, wie der hessische Ministerpräsident Eichel meint – aber sie zeigen etwas anderes. Über den kommunalen Rahmen hinaus sind vor allem die Ergebnisse in Frankfurt bedeutsam, der Stadt, die über Jahre hinweg als eine Art Laboratorium für die alte Bundesrepublik galt. Für die Zukunft vor allem der Metropolen zeichnet sich eine völlig neue politische Konstellation ab. Die bestimmenden Pole werden mehr und mehr die CDU und die Grünen, die Sozialdemokraten taumeln orientierungslos dazwischen und wissen nicht, wie ihnen geschieht.

Das sind mehr als nur Veränderungen – das sind tektonische Verschiebungen, die eine neue Epoche ankündigen. Die Frankfurter SPD hat, anders als in Hessen insgesamt, deutlich an Stimmen verloren. Das liegt zum einen an ihrer hausgemachten Krise. Bei ihr ging es in den letzten Jahren zu wie in der Frankfurter Eintracht: Teure Stars wie Volker Hauff und Andreas Schoeler wurden eingekauft und dann von dem (sozialdemokratischen) Vereinsklüngel fertiggemacht. Zum anderen liegen diesem Niedergang auch strukturelle Ursachen zugrunde. Die klassischen sozialdemokratischen Milieus in den großen Städten lösen sich auf, der Einfluß von Großorganisationen wie den Parteien nimmt stetig ab, die Kommunikationsformen ändern sich. Der berühmte Genosse Trend wählt mittlerweile grün.

Die Sozialdemokraten wollten sich aus diesem Dilemma befreien, indem sie die Grünen als Mittelstandpartei ohne soziales Gewissen attackiert haben. Die Grünen von „links“ zu kritisieren ist jedoch ein aussichtsloses Unterfangen – erst recht für eine Partei, die nicht in der Lage ist, in Bonn wirkliche politische Alternativen zum rigiden Sparkurs der Regierung zu entwickeln, und stattdessen immer wieder mit einer großen Koalition kokettiert. Jens König und StefanReinecke in der taz vom 3. 3. 1997