Der Klimawandel ist schon da

Hierzulande sind die Effekte deutlich zu beobachten: Temperaturanstieg, trockene Sommer, nasse Winter – eine Analyse des Deutschen Wetterdienstes

AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT

Dass die Teilnehmer beim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm stark ins Schwitzen kommen werden, ist nicht zu erwarten. Denn in Mecklenburg-Vorpommern ist die sommerliche Temperatur seit 1901 im langjährigen Trend nur um 0,24 Grad gestiegen; im Jahresmittel ist es dort 0,42 Grad wärmer geworden. Ganz anders sind die Werte im Saarland: Dort sind die Sommer heute im Vergleich zu 1901 um 1,73 Grad und im Jahresmittel um 1,25 Grad wärmer. Insgesamt hat sich die Temperatur in Deutschland um 0,86 Grad erhöht. Das geht aus einer neuen Analyse des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hervor, die der taz vorliegt. Darin schlüsseln die Meteorologen ihre Wetterdaten detailliert nach Monaten und Bundesländern auf (siehe Grafik).

Besonders deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Entwicklung der Niederschläge. Zwar haben diese seit 1901 bundesweit um 9,1 Prozent zugenommen, doch regional und jahreszeitlich gibt es große Differenzen. Steigende Werte sind im Winter (+ 20 Prozent), Frühling (+ 14 Prozent) und im Herbst (+ 11 Prozent) zu beobachten; im Sommer ist hingegen ein Rückgang um 3,3 Prozent zu verzeichnen. Extrem ist die Abnahme der sommerlichen Niederschläge im Osten Deutschlands: In Sachsen gingen sie um 15,5 Prozent zurück, in Brandenburg um 13,2 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt um rund 8 Prozent.

Weil die Daten auf langjährigen Werten beruhen, haben sie eine hohe Aussagekraft, sagte Wolfgang Kusch, Präsident des Deutschen Wetterdienstes, zur taz. „Dass dieser Winter der mit großem Abstand wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung war, ist für sich genommen noch kein Beleg für eine Klimaveränderung. Aber im langjährigen Verlauf sehen wir Signale, die eine signifikante Erwärmung belegen.“ Ein wichtiger Hinweis sei beispielsweise, dass neun der zehn wärmsten Jahre in Deutschland in den letzten 20 Jahren gemessen wurden. Auch die Frage der Ursache ist geklärt, so Kusch: „Der menschliche Einfluss ist inzwischen Sicherheit.“

Die vom DWD gemessenen Werte der Vergangenheit decken sich mit wissenschaftlichen Szenarien für die Zukunft. Auch in Deutschland drohten empfindliche Konsequenzen, so der Klimaexperte Peter Werner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): „Das neue Deutschland zeichnet sich durch trocken-heiße Sommer und warm-feuchte Winter aus“, sagte er der FAZ. Besonders im Elbegebiet sei im Sommer in Zukunft mit Wassermangel zu rechnen, der auch zu wirtschaftlichen Schäden führen werde.

Auch mit mehr Todesopfern muss gerechnet werden. Als Beispiel nannte Wolfgang Cramer, Leiter der Abteilung Globaler Wandel und Natürliche Systeme am PIK, gestern den Hitzesommer 2003. „Der war zu einem gewichtigen Teil durch den Klimawandel bedingt und hat in Europa zu 30.000 Hitzetoten geführt“, sagte der Klimaforscher. „Das sind Todesopfer, die wir dem Klimawandel zuschreiben.“ Angesichts der deutlichen Ergebnisse müsse die Menschheit möglichst rasch und umfassend reagieren, sagte Cramer. „Die Frage ist nur noch, ob wir uns schnell und tiefgreifend anpassen.“

Die Natur reagiert bereits deutlich sichtbar auf die Temperaturveränderungen. Vor 200 Jahren begann der Blattaustrieb bei Kastanien in Genf rund 100 Tage nach Jahresbeginn, teilte der DWD mit. Inzwischen sind es im Mittel nur noch 55 Tage nach Silvester: Der Frühling hat sich um eineinhalb Monate nach vorn verschoben.