OBERBAUMBRÜCKE
: Zwei Pferdeohren

Lustig war, dass der Australier nach jedem Lied laut wieherte

Straßenmusiker nutzen die Oberbaumbrücke gern als Proberaum, Kulisse und Bühne. Aber man muss sich schon was einfallen lassen, um aufzufallen. So wie dieser Musiker, den ich am Ende der Oberbaumbrücke sah, als ich mit dem Fahrrad von Kreuzberg nach Friedrichshain fuhr. Umringt von einem Pulk Menschen, spielte der Mann Gitarre – auf dem Kopf trug er eine Pferdemaske aus Gummi, und auf dem Pferdekopf saß ein keckes Hütchen, aus dem zwei Pferdeohren herausschauten. Ansonsten hatte er nicht viel an: eine graue Unterhose, Strümpfe und Turnschuhe. Seine lange schwarze Hose hatte er auf die Fußknöchel herunterrutschen lassen, sodass man seine schlanken, fast dünnen Beine sehen konnte. Auf seinem freien Oberkörper gab es mehrere Tätowierungen, unter anderem eine römische Zehn auf der linken Brust und eine römische Sieben auf der rechten Brust.

Etwas mehr Aufschluss gab das Plakat, das auf dem Gitarrenkasten lag, in dem so viele Münzen waren, dass man davon locker eine große Portion Hafer hätte kaufen können. „Wollt ihr wissen, wie das Leben eines Straßenmusikers ist?“, stand da. Und dass der Mann mit dem Pferdekopf Carl Tanich heißt, Musiker und Journalist aus Australien ist, der sich „Neigh-Kid Horse“ nennt und nach Berlin gekommen ist, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie das Leben eines Straßenmusikers ist. Dazu bot er DVDs „Busking for Berlin“ für 10 Euro zum Verkauf an.

Viele Menschen fotografierten das Pferd mit der heruntergelassenen Hose. Lustig war, dass der Australier nach jedem Lied laut wieherte. Wenn er einen Schluck aus seiner Bierflasche nahm, steckte er die Flasche ganz tief in sein Pferdemaul hinein. Zu seinen Füßen klebten alte Aufkleber auf dem Pflaster, „Monkeytown Records“. Nee, zum Affen machte sich der Australier mit der Pferdemaske nicht. BARBARA BOLLWAHN