„All together now“ auf Ostwestfälisch

Erster Erfolg seit dem 11. November: Arminia Bielefeld gewinnt dank neuer Gemeinschaftsideologie mit 3:2 gegen Nürnberg. Bielefelds Altstar Jörg Böhme wird von den eigenen Fans und Gästetrainer Hans Meyer gefeiert

BIELEFELD taz ■ Ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm sieht anders aus. Drei hüpfende junge Männer sangen ein Lied aus vier Worten in der Endlosschleife. „Böhme auf den Zaun“, schallte es durch die Straßenbahn. Die Passagiere, zumeist Bielefelder Fans, hatten so lange keine fröhlichen Lieder mehr gehört, dass sie auch bei der 16. Strophe noch lächelten.

Jörg Böhme hätte bestimmt auch seine Freude gehabt. Aber ob er es eine Stunde nach dem Spiel wirklich noch auf den Zaun geschafft hätte, um sich feiern zu lassen? Er war ja schon während der Partie „einfach nur platt“, wie er eine halbe Stunde nach dem Abpfiff sagte. Eigentlich wollte er zu jenem Zeitpunkt schon lange geduscht haben. Aber er musste immer noch Fragen beantworten. Das Handtuch um die Hüften gebunden, stand er mit Badeschlappen vor den Reportern und sprach über die 86. Spielminute, über die er nur selten sprechen kann, weil er sie häufig unter der Dusche erlebt. Böhme kam in dieser Saison bislang auf 20 Einsätze, 14 Mal wurde er ausgewechselt, 13 Mal vor der 86. Minute. Am Samstag wuselte er noch über den Platz, hatte zwar vor Erschöpfung „gar nichts mehr gemerkt“, aber schoss das 3:2 für Arminia gegen den 1. FC Nürnberg, seinen dritten Saisontreffer.

Nach zuvor elf Spielen ohne Sieg war es der erste Erfolg der Ostwestfalen seit dem 11. November. Die miese Serie hatte die Arminia vom fünften auf den 16. Tabellenplatz der Bundesliga absacken lassen. Trainer Thomas von Heesen warf die Brocken hin, Frank Geideck musste übernehmen und startete mit zwei Niederlagen.

Die Marketingabteilung der Arminia gab eine neue Parole aus: „All together now.“ Es sollte heißen: „Jetzt erst recht – und zwar alle an einem Strang in die gleiche Richtung.“ Böhme fand die Aktion gut. „Wir dürfen uns hier nicht auseinander dividieren lassen“, sagte der 33 Jahre alte Mittelfeldspieler. Zuletzt waren die Fans des Deutschen Sportclubs sehr verärgert und warfen der Mannschaft mangelndes Engagement vor. Gegen Nürnberg sahen sie eine Arminia, die zwar in der ersten Halbzeit hoffnungslos unterlegen war, aber dank einer Starthilfe des Gegners trotzdem mit einem 1:1 in die Pause ging und sich nach dem Wechsel den Sieg verdiente. „Jeder hat seine Tugenden eingebracht“, sagte Böhme.

Die Tugenden der Arminia sind in erster Linie Kampf, Kampf und Kampf, nachdem vom Konzeptfußball zuletzt nichts mehr zu sehen war. Manchmal kam am Samstag auch ein Geistesblitz hinzu. Etwa von Artur Wichniarek, nach dessen Pass Böhme im Strafraum gefoult wurde. Wichniarek verwandelte den Elfmeter zum 2:1.

Nürnbergs Trainer Hans Meyer nannte Böhme den „Mann, der das Spiel gewonnen hat“. Die Bewunderung hielt sich aber in engen Grenzen, denn Meyer hätte lieber gesehen, wenn Böhme ganz früh unter die Dusche gemusst hätte. „Er hätte die rote Karte kriegen können. Für mich war das ein rücksichtsloses Foul“, sagte der „Club“-Trainer zu einer Szene in der siebten Minute, als Böhme nach dem Ball grätschte, aber den Nürnberger Torwart Raphael Schäfer im Gesicht traf. „Ach, das interessiert mich nicht, was der erzählt. Der erzählt ohnehin viel“, giftete Böhme zurück. Er sei zum Ball gegangen, Schäfer sei zum Ball gegangen: „Das ist Fußball.“ Wer wird denn da gleich auf den Zaun gehen?

MARCUS BARK