DEMO IN ST. PETERSBURG: EIN KLEINER ERFOLG FÜR RUSSLANDS OPPOSITION
: Gemeinsam gegen Putin

Wenn es um Russland geht, hängt die Latte niedrig: Am Wochenende demonstrieren ein paar tausend Menschen flankiert von prügelnden Polizisten in St. Petersburg – und schon war das Ausland in Aufregung. Mühelos avancierten die Proteste gegen Präsident Wladimir Putin und seine Regierung zur Spitzenmeldung in den westlichen Medien.

Doch auch wenn von Massenprotesten keine Rede sein kann, bleibt eins festzuhalten: Für die Opposition in Russland, die lange Zeit so gut wie unsichtbar war, ist der „Marsch der Andersdenkenden“ zumindest ein kleiner Erfolg. Immerhin schafften es die Organisatoren, trotz Verbot und massiver Einschüchterung fast doppelt zu viele Menschen auf die Straße zu bringen wie im vergangenen Dezember in Moskau.

Kritiker könnten dem entgegenhalten, dass St. Petersburg ein Sonderfall ist. Hier finden am kommenden Sonntag Kommunalwahlen statt. Und die sind spätestens, seit der liberalen Partei Jabloko die Teilnahme verboten wurde, für die Regimekritiker ein Reizthema mit einem nicht zu unterschätzenden Mobilisierungspotenzial. Doch den Protest auf Wut über das absurde Verbot zu reduzieren, greift eindeutig zu kurz. Mit ihrer Forderung, den inhaftierten Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski freizulassen bzw. die verfassungsmäßigen Rechte endlich zu respektieren, haben die Demonstranten deutlich gemacht, worum es ihnen geht: um ein demokratisch und rechtsstaatlich verfasstes Russland, das seit Putins Machtantritt immer mehr auf dem Rückzug ist.

Nicht zuletzt im Hinblick auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen 2007 und 2008 ist nun die Frage, inwieweit es der Opposition gelingt, sich zu formieren. Als besonderes Hindernis könnte sich dabei die Heterogenität der beteiligten Gruppen erweisen. Es bedarf schon einiger Fantasie, um sich vorzustellen, wie eine gemeinsame Plattform der liberalen Kräfte und Nationalbolschewiken aussehen soll. Doch wie auch immer die Opposition versuchen wird, aus diesem Dilemma herauszukommen, eins sollte sie auf keinen Fall tun: auf den Westen zählen. BARBARA OERTEL