„Von der Fitness her ein Tier“

TENNIS Andrea Petkovic schlägt die Nummer eins der Weltrangliste, die Dänin Caroline Wozniacki

In Darmstadt gibt es ein kleines Café, in dem öfter Tennis im Fernsehen läuft – was ursprünglich daran lag, dass die jüngere Schwester von Andrea Petkovic gelegentlich im Café Corner serviert, aber inzwischen sieht es so aus, als sei Tennis da nicht länger ein Familienprogramm. Denn Petkovic hat zu Beginn dieses Jahres zum ersten Mal das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht. Und nach dem neuesten Coup wird die Geschichte garantiert weitergehen, denn Spiel, Satz und Sieg jetzt beim Turnier in Miami gegen die Nummer eins der Welt, Caroline Wozniacki, sind mehr als eine Lokalrunde wert.

Fast zwölf Jahre sind vergangen seit dem bis dato letzten Sieg einer deutschen Spielerin gegen eine Nummer eins. Im völlig verrückten Finale der French Open 1999 gewann Steffi Graf ein paar Wochen vor ihrem Rücktritt den letzten ihrer 22 Grand-Slam-Titel gegen Martina Hingis. Mit dem Namen Graf wurde seither jede halbwegs aussichtsreiche deutsche Spielerin konfrontiert, was Unfug ist, wie auch Andrea Petkovic findet. Als sie nach dem Sieg im Miami auf die deutsche Dimension angesprochen wurde, meinte sie: „Überhaupt in einem Satz mit ihr genannt zu werden, ist eine große Ehre für mich. Aber den Vergleich verstehe ich wirklich nicht, denn ich bin so weit entfernt davon, auch nur ansatzweise das zu erreichen, was Steffi erreicht hat. Vielleicht schaffe ich ein Zehntel davon.“

Vor ein paar Wochen hatte sie in Las Vegas zum ersten Mal das Vergnügen, ein knappes Stündchen mit Graf zu spielen, und hinterher schwärmte sie von deren Intensität. „Das war eindrucksvoll“, sagte sie hinterher, „wirklich inspirierend.“ Aber ihre größte Inspiration ist der Gedanke, das eigene Schicksal in der Hand zu haben. Nach einem knochenharten Wintertraining in der Akademie der Kollegen Schüttler und Waske in Offenbach ist sie so fit wie nie zuvor. „Andrea ist von der Fitness her ein Tier“ sagt Alexander Waske, was ein doppelt großes Kompliment ist, wenn man weiß, wie kritisch Tennisspieler manche Kolleginnen in dieser Hinsicht betrachten. In keiner Phase des fast zweieinhalb Stunden dauernden Spiels gegen Wozniacki hatte man das Gefühl, die für ihre Fitness bekannte Dänin sei besser zu Fuß als Petkovic. Und die behielt darüber hinaus auch immer die Nerven.

Und nun? „Wer gegen die Weltranglisten-Erste gewinnt, kann alle schlagen“, sagt Waske. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – das weiß Andrea Petkovic. DORIS HENKEL