Geborgen hinter Gittern

Der Polizeischutz ist unverzichtbar: Noch immer ist der jüdische Kindergarten in Schwachhausen einer von wenigen in Deutschland. Heute feiert die Einrichtung ihr zehnjähriges Bestehen

von Jan Zier

Die beiden PolizistInnen haben einen ruhigen Job, vergleichsweise. Vor dem jüdischen Gemeindezentrum an der Schwachhauser Heerstraße läuft niemand Patrouille, schon gar nicht mit Gewehr im Anschlag. Dennoch ist hier stets ein Streifenwagen postiert. Und der Schaukasten, der mit bunten Lettern für den Besuch des hiesigen Kindergartens wirbt, steht hinter einem massiven Stahlzaun, die Spitzen sind vergoldet. Heute feiert dieser Kindergarten seinen zehnten Geburtstag.

Der Polizeischutz ist nach wie vor eine Selbstverständlichkeit, die Ruhe nicht. In Berlin wurde kürzlich ein Anschlag auf die jüdische Kindertagesstätte Gan Israel verübt: Unbekannte hatten die Kita mit Hakenkreuzen sowie antisemitischen Parolen beschmiert und durch ein zerstörtes Fenster eine Rauchbombe in das Gebäude geworfen. Das jüdische Gemeindezentrum in Bremen wurde zuletzt anlässlich der NPD-Demo im vergangenen November Opfer von solchen Schmierereien.

In den kommenden Tagen wird in dem Kindergarten Purim gefeiert – der jüdische Karneval, ein Fest, das an die Errettung des jüdischen Volkes aus Gefahr in der persischen Diaspora erinnert. Die Kinder sind verkleidet, Geschenke werden ausgetauscht, dazu allerlei Süßspeisen.

Rund 50 Kinder besuchen diesen Kindergarten inzwischen. Vor zehn Jahren fing Elvira Noa, Gründerin und zugleich Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Bremen, mit gerade mal sechs Schützlingen an. Eigentlich zu wenig für einen eigenen Kindergarten, mindestens zwölf müssen es in der Regel sein. Noa war eine der Ersten in Deutschland, die mit einem solchen Projekt Erfolg hatte. Nur Berlin, Frankfurt und München hatten damals vergleichbare Einrichtungen. Noch immer gibt es nur ein gutes Dutzend von ihnen – in der ganzen Republik.

Kaum 1.200 Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde in Bremen, die meisten von ihnen MigrantInnen aus der ehemaligen Sowjetunion. Fast drei Viertel aller Kinder des jüdischen Kindergartens kommen aus russischen Familien. Die Übrigen stammen ursprünglich aus französischen, südamerikanischen oder persischen Familien, aber auch aus Schwachhausen. Und bei weitem nicht alle haben ein jüdisches Elternhaus. Im Kindergarten wird Deutsch und Russisch gesprochen, Gebete auf Hebräisch. Jeden Freitag wird hier Sabbat mit den Kindern gefeiert, statt Wein gibt es Traubensaft, der Tisch ist besonders festlich geschmückt, die jüdischen Jungen tragen dann eine Kippa.

„Wir wollen die zerstörten und verloren gegangenen Traditionen wieder beleben“, sagt Noa, „den Kindern die Freude an solchen Festen vermitteln“. Gerade bei den Älteren unter den russischen MigrantInnen herrsche noch die Angst vor, sagt Noa, gelte das Bekenntnis zum Judentum mitunter als „gefährlich“. Lange wurde ihnen der Glaube von der Sowjetunion verboten. Für ihre Kinder, sagt Noa, soll es „nichts Besonderes mehr“ sein, in Deutschland jüdisch zu leben. Irgendwann jedenfalls. Doch noch kann Elvira Noa nicht an eine solche „Normalität“ glauben.