Kosovare vor Gericht

Seit gestern muss sich Exkommandeur der UÇK vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal verantworten

PRISHTINA taz ■ Seit gestern muss sich der ehemalige UÇK-Kommandeur Ramush Haradinaj vor dem UN-Tribunal für Kriegsverbrechen in Exjugoslawien in Den Haag verantworten. Dem knapp vierzigjährigen Kosovo-Albaner werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Vertreibung von Minderheiten, Vergewaltigungen und Mord vorgeworfen. Haradinaj habe als Kommandeur der „Kosova-Befreiungsarmee“ in Westkosovo die Verantwortung für die von seinen Truppen begangenen Verbrechen an Serben, Roma und mit Serben kollaborierenden Albaner, heißt es in der Anklage.

Natürlich hält sich der Vorsitzende der „Fortschrittspartei“ (AAK) und kurzzeitige Ministerpräsident des Kosovo Haradinaj für unschuldig und will dies dem Gericht auch beweisen. Man müsse die damalige militärische und politische Situation betrachten, erklärte er vor seiner Abreise nach Den Haag in Prishtina. Er zeigte sich überzeugt, dass er bald wieder frei kommen würde.

Als er sich 2004 dem UN-Tribunal freiwillig stellte, demonstrierten noch Tausende für ihn. Und als er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, um den Prozessbeginn in Freiheit abzuwarten, empfingen ihn viele Menschen im Kosovo wie einen Sieger.

Doch seither hat Haradinaj viel Kredit bei der Bevölkerung verspielt. Der während des Kriegs der UÇK gegen Serbien 1998/99 zum Kriegshelden Aufgestiegene rief nach der Anklageerhebung die Bevölkerung auf, für seine Verteidigung zu spenden. Angeblich 7,5 Millionen Euro habe er schon für die Verteidigung ausgegeben.

Als er sich eine Villa im Diplomatenviertel Prishtinas bauen ließ und dafür das Gelände eines Kindergartens „privatisierte“, regte sich Kritik. Als der mit Golduhren protzende Haradinaj weitere Grundstücke erwarb und damit seine Familie versorgte, war der Rubikon überschritten. Die dunkle Herkunft des Geldes und die mögliche Zweckentfremdung der Spenden für seine Verteidigung hat seinen Stern im Kosovo sinken lassen.

Seit der Anklageerhebung versuchte er sich bei der internationalen Gemeinschaft anzudienen. Bei den Unruhen 2004 stellte er sich Demonstranten entgegen, die das orthodoxe Kloster von Decani im Westkosovo angreifen wollten. Seither hat er keine Gelegenheit ausgelassen, die Politik der UN-Mission im Kosovo zu unterstützen. So verurteilte er im Februar die Demonstration der Bewegung „Selbstbestimmung“ und rief zur Ruhe auf. Seit gestern nun steht er vor dem Haager UN-Tribunal. Das Urteil wird im Herbst erwartet. ERICH RATHFELDER