Ausbildungspakt, die zweite Runde

Wirtschaftsführer und Bundesminister unterzeichneten gestern zum zweiten Mal den Ausbildungspakt. Bildungsforscher mahnen: Duales System muss erneuert werden. Unternehmen könnten sich nicht nach Zahl der Schulabgänger richten

VON TIEMO RINK
UND DANIEL SCHULZ

Sie lobten sich gegenseitig. Führer der Wirtschaftsverbände, Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) rühmten „die erfolgreiche Arbeit“ und priesen sich gegenseitig für „die sehr gute Zusammenarbeit“. Und unterzeichneten gestern für weitere drei Jahre einen Ausbildungspakt.

Darin versprechen die deutschen Unternehmen in diesem Jahr 60.000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Dieter Hundt, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) redet weiter von großen Zahlen: 30.000 neue Ausbildungsbetriebe wollen die Arbeitgeber hinzugewinnen. 40.000 Jugendliche sollen in sogenannten Einstiegsqualifizierungsmaßnahmen, kurz EQJ, unterkommen. Diese EQJ sollen Jugendliche, die keinen Schulabschluss haben oder nur Teile davon absolvierten, auf eine Ausbildung vorbereiten.

Kritiker des Pakts halten ihn allerdings nicht für sehr ambitioniert: „Die Ziele gehen nicht einmal über das hinaus, was in den vergangenen Jahren real erreicht wurde“, sagt Priska Hinz, die Bildungsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion. Und tatsächlich haben die Unternehmen bereits im vergangenen Jahr 67.900 neue Ausbildungsplätze eingeworben. Zusätzlich boten sie auch 2006 schon 42.000 finanziell vom Bund geförderte Einstiegspraktika an.

„In schwierigen Zeiten hat sich ein Instrument der kooperativen Ausbildungsplatzsuche bewährt“, hält Ludwig Georg Braun vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) dagegen. „Deshalb ist es richtig den Ausbildungspakt fortzuführen.“

Im vergangenen Jahr sind allerdings 17.400 Jugendliche ohne Ausbildung geblieben. „Das Ziel, jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu geben, wurde nicht ganz erreicht“, sagte Müntefering.

In keinem Jahr des Ausbildungspakts standen genügend Lehrstellen für alle Jugendlichen zur Verfügung. Die Gewerkschaften fordern deshalb noch immer eine Ausbildungsabgabe für alle Betriebe, in denen es keine Lehrlinge gibt. Ihr Credo: Wer nicht ausbildet, sollte bestraft werden. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft biete keine Garantie, dass deutsche Firmen auch wirklich ausbildeten.

Dagegen halten renommierte Arbeitsmarktforscher wie Heike Solga vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen die Ausbildungsabgabe für das falsche Instrument. Sie gäbe den Unternehmen die Chance sich freizukaufen, meinte Solga auf Anfrage der taz. Solga wünscht sich eine Diskussion des dualen Systems, also der in den deutschsprachigen Ländern typischen Ausbildungsform. Hierbei werden Lehrlinge drei Jahre lang parallel in Berufsschule und Betrieb ausgebildet. Solga fordert, die Ausbildung anders aufzugliedern, in ein Jahr Berufsschule und anschließend zwei Jahre betriebliches Lernen. „Es ist illusorisch zu glauben, dass es mit unserem System für jeden Jugendlichen eine Lehrstelle geben kann.“

Ihr Münchener Kollege Frank Braun, Leiter des Forschungsprojektes „Übergänge in Arbeit“ erklärt auch warum: „Eigentlich haben die Unternehmen andere Interessen, als junge Leute auszubilden.“ Daher sei nicht gewährleistet, dass es in einem Jahr mit vielen Schulabgängern auch viele Ausbildungsplätze gebe.

Braun hält es zudem für ein großes Problem, dass besonders Haupt- und Realschulabsolventen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen, dann in Praktika und Qualifikationsmaßnahmen ihre Runden drehen. „Diese Jugendlichen sind eigentlich fit“, sagt Braun. „Denen fehlt nichts.“ Bis auf einen Ausbildungsplatz.