Bremen brütet sich schuldenfrei

Der Bremer an sich ist Realist. Deswegen hat er nichts gegen die Visualisierung seiner Schulden. Seit anderthalb Jahren hängt eine digitale Uhr unübersehbar in der Innenstadt, auf der die Zahl 13.740.937.031 steht: Reichlich 13 Milliarden Euro Schulden hat der Stadtstaat. Das war gestern um 17 Uhr Bremer Ortszeit. Sekündlich kommen jedoch 33 Euro dazu, heute sind es also bereits rund 2,86 Millionen mehr. Jetzt aber hat ein visionärer Bremer Künstler die Unerbittlichkeit des Zinseszins umgekehrt – zugunsten Bremens.

Der Mann heißt Armin Kölbli und ist bekannt als Eiermann, weil er drei riesige Oval-Skulpturen in den öffentlichen Raum unter anderem bei Tschernobyl gesetzt hat. Wie kaum ein anderer scheint Kölbli zur rechnerischen Rettung Bremens berufen: Er ist nicht nur künstlerisch, sondern auch als Bankkaufmann und Wirtschaftsingenieur ausgebildet. Als solcher kann er rechnen. In diesem Fall nach der Formel K = A x (1+ i/100) hoch N.

Damit bei „K“ wie „Kapital“ 13,7 Milliarden herauskommt, muss man bei „N“ für „Laufzeit“ 690,72 einsetzen – Jahre, versteht sich. So lange dauert es bei einem Zinssatz („i“) von derzeit 2,75 Prozent schon, wenn man mit einer Anlage von A = 100 Euro Bremen entschuldet. „Aber irgendwann“, gibt Kölbli zu bedenken, „muss man ja anfangen.“

Den Finanzsenator jedenfalls hat Kölbli schon mal froh gemacht. Eifrig hilft Ullrich Nußbaum, das 100 Euro-Sparbuch in einen Sack mit konservierendem Quarzsand zu versenken. Anschließend wird er in ein metallenes Ei eingeschweißt. So gesichert, soll Kölblis Ei im pompösen „Haus des Reichs“, in dem das Finanzressort residiert, auf seinen Einsatz warten. Der Vorgang erreicht nahezu die mythologische Dimension des im Kyffhäuser schlafenden Kaisers Barbarossa.

Wer zu früh kommt, den bestraft jedenfalls der Zinssatz. Die ersten 400 Jahre tut sich im Ei beziehungsweise auf Kölblis Konto bei der Raiffeisenbank Südhardt eG recht wenig. Dann aber entfaltet die exponentielle Funktion der Gleichung ihre volle Kraft. Nussbaum, der die „Nachhaltigkeit“ des Kölbli’schen Werkes lobt, erweist sich ebenfalls als ein allerlei Rechenspielen zugewandter Geist. So hat er bereits erheben lassen, was den Bund eine etwaige Aufgabe der staatlichen Selbständigkeit Bremens kosten würde. Die nämlich wurde 1646 in Gestalt des Linzer Diploms erkauft, die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches müsste die Summe gegebenenfalls verzinst zurückzahlen: „Das geht“, sagt der Senator mit leuchtenden Augen, „in die Billionen.“ Der Bremer an sich, wie gesagt, ist Realist. Henning Bleyl