„Ein sehr ungerechtes System wird sehr ungerecht bleiben“

Dieter Ondracek von der Deutschen Steuergewerkschaft rechnet nicht mit bahnbrechenden Ergebnissen für die Föderalismusreform II: „Da ist viel Show“

DIETER ONDRACEK, 63, ist Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, die die Finanzbeamten vertritt.

taz: Herr Ondracek, was erwarten Sie von den Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern?

Dieter Ondracek: Wenn’s ums Geld geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Es ist höchstens mit einem kleinen bescheidenen Ergebnis zu rechnen.

Wo sehen Sie Chancen?

Man wird eine Lösung für die notleidenden Länder wie Berlin, Bremen und das Saarland finden.

Dafür ist eine riesige Förderalismus-Kommission nötig?

Da ist viel Show. Die Ergebnislosigkeit werden die Politiker den Bürgern am Ende damit erklären, dass die Materie so ungeahnt komplex sei.

Vorschläge gibt es doch bereits: So könnte der Bund die Kfz-Steuer erhalten, dafür bekommen die Länder die Versicherungssteuer.

Bei kleinen Steuern ist ein Tausch denkbar – obwohl es schon bei der Versicherungssteuer problematisch wird. Nicht in allen Ländern sind Versicherungszentralen zu Hause. Diese Länder würden dann gar nichts bekommen.

Und bei den großen Steuern?

Da dürfte sich fast nichts ändern. Die Umsatzsteuer ist sehr stabil, während die Einkommenssteuer im Aufkommen stark schwankt. Die Länder werden niemals die Mehrwertsteuer dem Bund überlassen, nur um die gesamte Einkommenssteuer einzutauschen.

Jährlich gehen Milliarden an Steuern verloren, weil Firmen und Vermögende nicht regelmäßig von den Finanzämtern überprüft werden. Warum ist das kein Thema?

Das hat der Bundesrechnungshof angemahnt, aber die Länder haben eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung schon abgeblockt. Die Ministerpräsidenten wollen unbedingt den fachkundigen Apparat einer Landesfinanzverwaltung behalten. Das ist eine Frage der Macht: Nur wer in Steuerfragen Ahnung hat, kann in der Bundespolitik wirklich mitmischen.

Aber diese Eitelkeit der Länder kostet viel Geld: Ihre Finanzämter prüfen zu lasch. Nur ganz selten werden Einkommensmillionäre kontrolliert – obwohl im Durchschnitt bei jedem 135.000 Euro an Steuern zu holen wären.

Für reiche Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg lohnt es sich eben kaum, zusätzliche Steuern einzutreiben, denn die Hälfte geht sowieso an den Bund – und außerdem müssen sie noch einen großen Teil in den Länderfinanzausgleich einspeisen.

Stattdessen werden mit einer laxen Steuerpraxis Firmen angelockt?

Der Verdacht liegt nahe. Denn eigentlich sind Betriebsprüfungen ein gutes Geschäft: Ein Prüfer bringt dem Staat rund eine Million Euro pro Jahr ein.

Kann der Bundesfinanzminister nicht einfach gegen die Länder beim Bundesverfassungsgericht klagen? Es verletzt doch den Gleichheitsgrundsatz, wenn Firmen in einem Land häufiger überprüft werden als in einem anderen.

Wir als Steuergewerkschaft sind mit einer solchen Klage beim Finanzgericht gescheitert. Dabei ist das System extrem ungerecht. Gehälter und Renten werden automatisch an die Finanzämter gemeldet – da gibt es kaum Schlupflöcher. Mieten, Kapitaleinkünfte und Gewinne hingegen werden nur angemessen versteuert, wenn es eine regelmäßige Prüfung gibt. Es fehlen jedoch ungefähr 10.000 Finanzbeamte. Dabei könnten sie rund 10 Milliarden Euro hereinholen. Aber daran haben viele Länder kein Interesse.

Die Förderalismusreform bringt also gar nichts für die Steuergerechtigkeit?

Ein sehr ungerechtes System wird sehr ungerecht bleiben.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN