WAS IM BETT STÖRT: Missverständnisse
„Du schluckst so laut“, hatte er gesagt. Was natürlich gar nicht stimmte. Sie hatte es sich nur gemütlich gemacht, war mit der Kaffeetasse zurück ins Bett gekrochen, wie sie es wohl jeden Morgen tat. Aber er war wegen der dräuenden Spannung zwischen ihnen reizbar gewesen. An diesem klaren Morgen. Und so hatte er nicht mehr einschlafen können – ihrer Anwesenheit wegen, ihres wohlverdienten Frühstücks im Bett wegen.
Und sie hatte nach der Beschwerde das Weite gesucht, ist aus dem Zimmer, aus der Wohnung. Und er hatte nach dem nächsten Gedanken über das unklare Geräusch einer sich schließenden Wohnungstür auch nicht mehr liegen bleiben können. Kurz darauf saß er mit einem Pappbecher Kaffee in der mäuschenstillen Tram.
Das Klärungsgespräch, das einige Tage später stattgefunden hatte, war erstaunlich moderat verlaufen. Sie hatte erzählt, dass sie sich ob seiner Beschwerde über ihr Schlucken fast eine Neurose herangezüchtet hatte. Jetzt würde sie dauernd darauf achten, wie sich das anhören würde, sagte sie. Aber er konnte sie beruhigen: Es wäre ihm nur das eine Mal aufgefallen, und das sei doch situationsbedingt gewesen. Irgendwo entladen sich halt die Missverständnisse. Oder so.
Bei einer anderen Frau, erinnerte er sich, hatten sich die Differenzen beispielsweise bei der Frage nach der bevorzugten Schlafseite im Bett entladen. Sie konnte partout nicht an der Wand schlafen, er war es aber eben gewohnt, links zu nächtigen. Wand oder nicht Wand, das war ihm egal, aber seine Seite war immer die linke.
Später, als er wieder allein schlief, malte er sich ihre Rache aus. Eine feministische Kampfgruppe würde ihn entführen, fesseln und ihm stundenlang Schluckgeräusche vorspielen. Frauen mit Kaffee auf der linken Bettseite. Eine Rache, die wohl irgendwie auch „süß“ zu nennen wäre, dachte er. RENÉ HAMANN
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