Datensammlung von Ex-Gefangenen

Fünf Jahre lang will die Justiz in Niedersachsen künftig Informationen über einstige Sträflinge speichern. Dadurch sollen Sexualstraftaten verhindert werden. Eine eigene Datei soll auch die Polizei bekommen

Mitja in Leipzig, Levke in Bremen: Als Konsequenz aus den Kindermorden will Niedersachsen eine bundesweite Sexualstraftäter-Datei sowie ein Zentralregister für entlassene Häftlinge einführen. Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) rief die Bundesländer gestern dazu auf, wie in Niedersachsen geplant landesweite Register für Ex-Knackis einzurichten und diese miteinander zu vernetzen. „Alle Bundesländer sollten Konsequenzen aus dem Fall Mitja ziehen und diese Vorschrift in ihre Vollzugsgesetze aufnehmen“, sagte die Ministerin.

Der Entwurf für ein niedersächsisches Justizvollzugsgesetz, der gestern in erster Lesung im Landtag beraten wurde, sieht zunächst nur einen ersten Schritt in diese Richtung vor: die Schaffung einer Landes-Datei entlassener Häftlinge. Bislang werden die Daten von Straftätern nur an den einzelnen Standorten der Haftanstalten für zwei Jahre gesammelt. Künftig sollen sie landesweit zusammengefasst bis zu fünf Jahre lang gespeichert werden können. Langfristiges Ziel ist jedoch für Heister-Neumann, „im Land erhobene Daten auch mit der Bundesdatei abgleichen zu können“. Auch eine bundesweite Rückfallstatistik sei wichtig: Bislang gibt es solche Erhebungen nicht.

Weil das Thema so en vogue ist, sattelte Landes-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gleich drauf: Aufbauend auf die Justizdaten will Schünemann eine erweiterte Sexualstraftäter-Datei bei der Polizei anlegen. Es handle sich um eine ermittlerinterne Datei, erklärte der Minister. Wie bei jener der Justiz sei keine Veröffentlichung geplant. Einen „Internet-Pranger“ für Triebtäter, wie ihn gestern Sachsen nach US-Vorbild forderte, nannte Schünemann „verfassungsrechtlich in Deutschland nicht umsetzbar“. Stattdessen will er, ähnlich wie bei der Polizei-Datei für Fußball-Hooligans, ein Register einrichten für Sexualstraftäter, die von der Haftanstalt nach der Entlassung als gefährlich eingestuft werden.

Nach Gefahrenprognose der Anstalt, Gutachten und Zustimmung des Staatsanwaltes sollten alle Polizeidienststellen Zugriff auf die beim Landeskriminalamt geführte Datei erhalten – auch wenn die Strafe bereits verbüßt ist. Ziel sei es, möglicherweise Rückfällige auch nach der Verbüßung ihrer Haftzeit weiter im Auge zu behalten. Wenn ein Sexualstraftäter nicht mehr auffalle, sagte Schünemann, könnten seine Daten gelöscht werden. Nach seiner Ansicht kann er die Datei sogar mit Verabschiedung des neuen Justizvollzugsgesetzes ohne Beteiligung des Parlaments aufbauen. Wie andere Unionspolitiker auch forderte der Niedersachse gestern, das Landes- zum Bundeszentralregister auszubauen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte den Plan: „An dieser Stelle überwiegt der Schutz potentieller Opfer den Datenschutz der entlassenen Straftäter“, sagte der Chef der Landes-GdP, Bernhard Witthaut. Mit der Datei könnten Kinder vor sexuellen Übergriffen durch rückfällige Straftäter geschützt werden.

Das Rückfallrisiko für Kinderschänder ist nach Einschätzung des Sexualwissenschaftlers Klaus Michael Beier extrem hoch. Laut einer Studie würden 80 Prozent der entsprechend veranlagten Männer rückfällig, sagte der Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Berliner Charité der Zeit. In Niedersachsen sitzen zur Zeit 447 Sexualstraftäter in Gefängnissen. Das sind etwa 6,5 Prozent aller Gefangenen. KAI SCHÖNEBERG