Regierung lässt Anwohner von AKW im Unklaren

ATOM Wie Niedrigstrahlung auf Gesundheit wirkt, ist offen. Dennoch keine neuen Studien geplant

BERLIN taz | Die von der Bundesregierung zugesagte Überprüfung der deutschen Atomkraftwerke wird sich lediglich auf technische Sicherheitsaspekte beschränken. Mögliche gesundheitliche Gefahren aufgrund erhöhter Strahlenwerte, die im Normalbetrieb auftreten könnten, sollen nicht weiter untersucht werden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt.

Die Regierung begründet den Verzicht auf derartige zusätzliche Studien damit, dass ohnehin nichts Brauchbares dabei herauskäme: „Die bisherigen Untersuchungen sind nach derzeitigem Kenntnisstand methodisch nicht mehr zu verbessern; ein Erkenntnisgewinn durch weitere Untersuchungen ist gegenwärtig nicht zu erwarten.“ Dabei sind gerade die Zusammenhänge zwischen Niedrigstrahlung, wie es sie im Umkreis von AKWs gibt, und gesundheitlichen Risiken, wie etwa Leukämien, jedoch unter Experten umstritten, weil unbefriedigend erforscht.

Zugleich räumt die Regierung ein, dass die im Zusammenhang mit der japanischen Reaktorkatastrophe viel beschworenen, angeblich „gesundheitlich unbedenklichen“ Grenzwerte ionisierender Strahlung Humbug sind. Denn: Was wie wirkt, weiß derzeit niemand so genau: „Ein Beweis, dass unterhalb der Grenzwerte gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können, ist […] nicht möglich.“ Unkenntnis herrscht auch über die langfristigen Gesundheitsschäden von Tschernobyl. Klar ist aber, dass 25 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl Regionen in Bayern und Baden-Württemberg immer noch unter erhöhter Strahlung leiden: „Es handelt sich dabei um Kontaminationen mit dem radioaktiven Isotop Cäsium-137, das wegen seiner langen physikalischen Halbwertszeit von ca. 30 Jahren noch insbesondere in Wald- und Forstgebieten in bodennahen Schichten vorhanden ist“, warnt die Regierung.

Sollte es in Deutschland – beispielsweise durch terroristische Anschläge – zu Havarien an mehreren AKW-Standorten gleichzeitig kommen, wäre eine Evakuierung der betroffenen Bevölkerung aufgrund ihrer Anzahl kaum möglich: Nach Angaben der Regierung leben 7,9 Millionen Menschen in Deutschland weniger als 25 Kilometer von einem AKW entfernt. Und: Katastrophenschutz in Deutschland ist allein Ländersache. Es gebe zwar Rahmenempfehlungen, so die Regierung. Aber: „Auf die konkreten Einzelplanungen und Maßnahmen hat der Bund keinen Einfluss.“ HEIKE HAARHOFF