Kollektive Grenzüberschreitung

NU-JAZZ Mit Frank Zappa, Steve Reich und Richard Wagner durch die äußersten Ränder des Jazz-Rock: Das norwegische Jazz-Raumschiff „Jaga Jazzist“ präsentiert sein neues Album

Mensch und Maschine gebären auf „One-Armed Bandit“ gemeinsam hybride Monster

VON ROBERT MATTHIES

Wenn man ihm Glauben schenken mag, dann hat Lars Horntveths neunköpfiger Nu-Jazz-Clan „Jaga Jazzist“ schon auf weit über 300 Veröffentlichungen seine mal mehr, mal weniger deutlich erkennbaren Spuren hinterlassen. Gerade mal zehn davon sind bis dato Alben oder EPs unter eigenem Namen, der Rest unzählige Kooperationen mit unterschiedlichsten Künstlern, Projekten und Bands. Um Mainstream-Erfolg und Trendgerechtigkeit scheren sich der Norweger und sein Bruder Martin dabei nicht, unambitioniert sind die Geschwister und ihre sieben MitstreiterInnen aber ganz und gar nicht.

Seit 1994 – da waren sie zum Teil erst 14 Jahre alt – steuern sie ihr musikalisches „Mutterschiff“ – so hat Horntveth die „Jagas“ mal bezeichnet – mit erstaunlicher Sicherheit durch die verschiedensten musikalischen Welten am äußersten Rand des elektronischen Jazz-Rock: von experimentierfreudigem Avantgarde-Free-Jazz über verschwitzten Drum’n’Bass und opulente Post-Club-Spielereien bis zu Bläser-bombastischem Future-Rock. Das Einzige was dabei bislang sicher ist: die nächste abrupte Richtungsänderung kommt bestimmt – ohne dass die neun Virtuosen jemals Schiffbruch erleiden. „Jaga“ ist Jazz, wenn totales Chaos und absolute Kontrolle, Kopf und Körper ununterscheidbar werden, wenn Mensch und Maschine gemeinsam hybride Monster gebären, die bei aller Vielfältigkeit immer einzigartig sind: ob Post-Prog-Shoegazer-Rock oder Fusion-Jazz-Ambient-Pop.

Mit ihrem fünften Studio-Album „One-Armed Bandit“ haben sich die unfassbaren Norweger nun wieder einmal selbst übertroffen. Mit an Bord sind bei der kosmischen Reise dabei diesmal unter anderem ein überlebensgroßer Frank Zappa, die symphonischen „Yes“, einer repetitiver Steve Reich und ein bombastischer Richard Wagner, außerdem etliche funkige Barock-Komponisten, Filmmusiker für 60er-Spion-Streifen-Verfolgungsjagden und natürlich Mathematiker und jede Menge zusammengeschaltete Effektmaschinen.

Ohne dass damit gesichert wäre, wohin die Reise am Sonntag auf Kampnagel geht. Denn live sind „Jaga Jazzist“ eine rastlose kollektive Grenzüberschreitung, die sich wenig um bekannte physikalische Gesetze kümmert. Wie die Welt da draußen.

■ So, 3. 4., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20