Eigenständige Gedanken in der CDU

ENERGIEWENDE CDU und FDP in Niedersachsen übertrumpfen sich mit Grundsatzpapieren zur Energiepolitik. Die FDP sieht keine Zukunft für die Atomkraft, Differenzen gibt es in der Endlagerfrage

Die Reaktorkatastrophe in Fukushima hat die niedersächsische FDP in ihrem energiepolitischen Leitantrag zum Parteitag auch gewürdigt – mit einem Halbsatz

Um ihren Kurs in der Energiepolitik ringen die Regierungsparteien in Niedersachsen. Gleich drei Öko-Konzepte haben CDU und FDP am Freitag vorgelegt.

Mit einem Vorstoß für einen zügigeren Ausbau der Windkraft wendet sich Ministerpräsident und CDU-Landeschef David McAllister an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Er fordert die schnellstmögliche Umsetzung des vorgesehenen Fünf-Milliarden-Kreditprogramms zur Förderung der Offshore-Windenergie.

Grundsätzlicher wird CDU-Fraktionschef Björn Thümler: In einem Thesenpapier appelliert er an „alle Akteure, ihre bisherigen energiepolitischen Ansätze zu überdenken“. Thümler fordert, nicht nur den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, auch ein Umdenken beim individuellen Verbrauchsverhalten sei nötig. Der „Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen“, betont er, mache Deutschland weltweit zum „Vorreiter“.

Eine Tatsache, die bei der Niedersachsen-FDP offenbar nur schrittweise ankommt. Die hat am Freitag einen energiepolitischen Leitantrag für ihren kommenden Landesparteitag vorgestellt. Die „wesentliche politische Neuerung“ sieht FDP-Landeschef Philipp Rösler, zugleich Bundesgesundheitsminister, in einem Halbsatz: Die Atomenergie habe „keine Zukunft“, heißt es im Antrag.

Nachträglich habe man den hinzugefügt, erklärt Rösler, „nach den tragischen Ereignissen in Japan“. Die Atomenergie brauche man aber noch für die „Übergangszeit“. Wie lange die dauern soll, lässt die Niedersachsen-FDP offen. Über „Details“ werde nach dem dreimonatigen Atommoratorium entschieden, sagt Rösler.

Großes hat er mit dem niedersächsischen Antrag vor: Beim nächsten Bundesparteitag werde er das Papier einbringen, kündigt er an.

Innerhalb der niedersächsischen Regierungskoalition könnte es vor allem wegen der Atomendlager-Frage Streit geben: Zwar fordert die FDP einen Stopp der Castor-Transporte ins Zwischenlager Gorleben. Schacht Konrad aber solle als Endlager für schwach-mittelradioaktive Abfälle „zügig“ in Betrieb gehen, heißt es in ihrem Antrag. Auch der Salzstock Gorleben soll weiter als Endlager erkundet werden. Die Suche nach einem Alternativstandort lehnt die FDP ab.

Beim Koalitionspartner CDU hingegen wachsen die Zweifel an Gorleben. Fraktionschef Thümler etwa fordert in seinem Thesenpapier vom Freitag ausdrücklich die Untersuchung anderer Standorte mit Gesteinsarten wie Granit.

In der Opposition beobachtet man die schwarz-gelbe Kurssuche derweil mit Irritation. „Chaos nicht nur in der FDP, sondern auch in der Koalition“ sieht Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. „Man hat den Eindruck, dass sich überhaupt nicht mehr untereinander abgestimmt wird“, sagt er.

Anders formuliert man das bei der CDU: Der Vorstoß des Fraktionschefs sei keine Reaktion auf den FDP-Antrag, sagt Sprecherin Hilke Vollmer. Er solle lediglich „zeigen, dass wir uns auch an der Diskussion beteiligen“. Pläne, die Thesen im Parlament aufzugreifen, habe die Fraktion aber nicht. „Es sind völlig eigenständige Gedanken von Herrn Thümler“, so Vollmer.

TERESA HAVLICEK