kurzkritik: Irène Némirovsky im schauspielhaus
: Unter Hyänen

Ist das nun gespielt oder nicht? Haben die vier Herren ihre Textanschlüsse nicht geübt – oder inszenieren sie das nur? Aber nein, das ist sicher alles geprobt – auch das Gelächter, das Tim Grobe, Felix Kramer und Thiemo Strutzenberger überkommt, wenn sie die englische Zofe oder die hysterische Mutter geben.

Hysterisch? Ja, das ist sie, die Mutter in Irène Némirovskys Stück „Der Ball“, den der jüngste „Damensalon“ im Schauspielhaus präsentierte. Die 1942 in Auschwitz ermordete russische Jüdin inszeniert darin einen Mutter-Tochter-Konflikt, und das weder grau noch theoretisch: In Dialogen zwischen gehässiger Mutter und aufbegehrender 14-Jähriger offenbart sich der Konflikt, in dem die Tochter plötzlich Macht erhält, als sie aus Rache sämtliche Einladungen für den elterlichen Ball in die Seine wirft.

Doch das ist nicht das Wichtigste an dem Abend, den vier Herren in Anzügen, brav an einem Tisch aufgereiht, bestreiten, immer fahriger mit ihren Tischschildern hantierend. Erfrischend und unglaublich komisch ist vielmehr das ständige Heraustreten aus der Vortragssituation, in dem auch die Realität ihren Part spielt. Warum sonst sollte im dramatischsten Moment auch noch das Némirovsky-Plakat „live“ von der Wand fallen? Man überlegt kurz, ob Materie weise ist. Aber ist auch egal. Solange der Violinist – der Vierte auf dem Podium – geigt und geigt und geigt, ohne die entgeisterten Kumpanen eines Blickes zu würdigen, ist die Welt noch in Ordnung. PETRA SCHELLEN