Neuer Wein in neuen Schläuchen

Der neue Intendant Hans-Joachim Frey präsentiert seine erste Spielzeit: Inhaltlich ist sie hoffnungsträchtig und verlangt viel Flexibilität. Ein Drittel des festen Ensembles ist gekündigt

Von HENNING BLEYL

Mit „sinnlicher Avantgarde“ soll sie im September beginnen: Hans-Joachim Freys erste Spielzeit am Goetheplatz. Gemeint ist György Ligetis Oper „Le Grand Macabre“ – das Werk passt zur künftigen Orientierung jeder Spielzeit an jeweils zwei Ländern. Frey startet mit Israel und Ungarn, letzteres legt auch Publikumsträchtiges wie die „Czardasfürstin“ nah.

Insgesamt kündigt Frey 33 Premieren an, inklusive acht Uraufführungen, am Europahafen wird (konzertant) der „Fliegende Holländer“ gegeben. Christian Pade, neuer Hausregisseur, macht „Wilhelm Tell“ und Tankred Dorsts „Künstler“ über Heinrich Vogeler, thematisiert also die Entwicklung vom privat orientierten hin zu politisch handelnden Menschen.

In welchen Strukturen wird das alles präsentiert? Frey umschreibt den Teilrückzug aus dem Repertoirebetrieb, der im Prinzip alle Produktionen einer Spielzeit das gesamte Jahr über erlebbar machte, als „Mittelweg zwischen Semi-Staggione und verblockter Verzahnung“. Im Klartext: Das Theater konzentriert sich auf zwei bis drei sich überlagernde Produktionen.

Das Schauspiel ist von 25 auf 18 feste Mitglieder verkleinert, die SängerInnenschar von 19 auf 13. Die Lücke will Frey mit zahlreichen Gästen sowie den Nachwuchskräften des neuen „Opernstudios“ füllen. Im Spielzeitheft wird gar nicht erst zwischen Festen und Gästen unterschieden, wichtig sei, „dass man zur Familie gehört“ – was lauft Frey der Fall ist, wenn man mehr als zwei Mal kommt.

Immerhin wird den AnhängerInnen des Theaters Pierwoß’scher Prägung eine symbolische Brücke in die neue Generalintendanz gebaut. Dem lauthals krähenden Hahn, der 13 Jahre lang für die in Teilen durchaus aufrührerische Ausrichtung des Bremer Theaters stand, wird nicht der Hals umgedreht. Er wird vervierfacht weiterleben: Das neue Logo besteht aus stadtmusikantenmäßig gestapeltem Federvieh, deren Schwanzfedern sogar – ein Zufallstreffer der beauftragten Hamburger Agentur, die bisher vor allem mit schnellen Autos und Adidas zu tun hatte – an die Speckflagge erinnern.

Frey beglückwünschte Pierwoß ausdrücklich zu dessen derzeit abgefeuertes „Grande Finale“, dass schon zu Spielzeitbeginn mit stolzen 14 Premieren aufwartete. Der Dank für Pierwoß’ Abgang ist bar ironischer Untertöne – schließlich sieht sich Frey finanziell etwas entlastet: Die Zuschauerzahlen liegen gut fünf Prozent über der, laut Wolfgang Patzelt, kaufmännischer Geschäftsführer, „ohnehin sehr ambitionierten“ Planung. Zum Spielzeitende rechnet er mit fast 600.000 Euro Überschuss.

Insgesamt ist das Theater freilich nach wie vor mit 4,5 Millionen Euro verschuldet. Patzelt erwartet vom Kulturressort einen Erlass in Höhe von 1,5 Millionen, der Rest soll in den kommenden sechs Jahren abgestottert werden. Basis dafür ist eine – analog zum bestehenden Notlagentarifvertrag für nichtkünstlerische Angestellte – mit dem Deutschen Bühnenverein abgeschlossene Sonderregelung.

Angesichts dieser Zahlen darf Patzelt, von der BLG eigentlich nur als Interim ausgeliehen, fest als kaufmännischer Geschäftsführer einsteigen. Ein weiterer Gewinner der neuen Strukturen ist Klaus-Peter Schulenberg, sein CTS-Eventim übernimmt das elektronische Ticketing. In diesem Erfolg liegt eine gewisse Konsequenz, schließlich konnte KPS bereits das vom Theater mitgegründete Konkurrenzsystem „TSC“ unter – damals sehr umstrittenen – Umständen übernehmen. Ob das „Concordia“ künftig noch punktuell vom Theater genutzt wird, ist weiterhin offen. Immerhin nutzt Frey die Sanierung des Schauspielhauses, in dem er dessen Guckkasten- zu einer Raumbühne umbaut – die war ein Alleinstellungsmerkmal des „Concordia“.