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Weltwirtschaft begrenzen und regulieren

GLOBALISIERUNG Die Finanzkrise hat den berühmten Harvard-Ökonomen Dani Rodrik skeptisch gemacht: Dem Freihandel müssen Grenzen gesetzt werden, der Nationalstaat soll flankieren

VON FELIX EKARDT

Für viele ist es eine ausgemachte Sache, dass Kapitalismus allenfalls mit viel staatlicher Regulierung erträglich ist und dass Freihandel und Globalisierung ökologisch-sozial verheerend sind. Ebenso, dass das Freihandelregime der Welthandelsorganisation (WTO) der Demokratie schadet, indem es den Staaten immer mehr Vorgaben macht. Andere, besonders die meisten Ökonomen, halten jedoch das genaue Gegenteil für wahr.

Das neue Buch des US-amerikanischen Ökonomen Dani Rodrik über „Das Globalisierungs-Paradox“ zielt darauf ab, sich hier zwischen alle Stühle zu setzen. Und in der Tat, so kann man konstatieren, ist das gelungen, und zwar in für Laien und Fachleute gleichermaßen anregender und kurzweiliger Weise. Rodriks Buch setzt damit Maßstäbe für einen kompetenten und differenzierten statt schlagwortartigen Diskurs über die Globalisierung und „den Kapitalismus“.

Für die meisten Ökonomen war bisher klar: Je mehr Freihandel und je weniger staatliche Regulierung, desto reicher wird ein Land. Die meisten Globalisierungskritiker dagegen halten die „neoliberale“ Globalisierung für einen Hauptursprung von Armut und Umweltschäden. Rodrik macht sich mit seinem Buch daran, mit vielen Belegen und interessanten Argumenten die Richtigkeit eines Mittelwegs zu beweisen.

Unauflösliche Kollision

Rodriks Kernthese ist dabei: Sicherlich sind Märkte und Freihandel wohlstandsförderlich. Doch sind sie das nur bei ausreichenden flankierenden staatlichen Regulierungen, Institutionen, funktionierenden Bildungssystemen, wenig Korruption und einigen weiteren Voraussetzungen. Um dies zu zeigen, stellt Rodrik viele interessante historische Überlegungen an und analysiert auch die verschiedenen Wirtschaftskrisen der letzten 100 Jahre gründlich, nicht zuletzt die Finanzkrise.

Näher bei den Globalisierungskritikern sind zwei weitere Thesen Rodriks, die er ebenfalls aus einem reichen historischen und ökonomischen Datenmaterial ableitet: Selbst unter optimalen Bedingungen würde eine weitere Intensivierung von Freihandel und offenen Märkten heute der Welt nichts mehr bringen – dafür aber die sozialen und ökologischen Kollateralschäden offener Märkte deutlich steigern.

Vor allem aber sei zunehmend eine unauflösliche Kollision offener Märkte mit dem Demokratieprinzip zu beklagen. Denn die vielfältigen Egoismen weltweit verhinderten eine Weltdemokratie, die mit schlagkräftigen globalen Institutionen den globalen Markt politisch einrahmen könnte. Die Finanzkrise und die fehlenden Lehren aus ihr seien dafür ein Anschauungsbeispiel. Die nationalstaatliche Demokratie wiederum ergäbe nur dann weiterhin Sinn, wenn sie auch reale Gestaltungschancen behalte.

In der Tat: Nationale Schranken für den Kapitalverkehr sind im Moment zum Beispiel kaum möglich. In der Umwelt- und Sozialpolitik lässt die WTO den Nationalstaaten zwar mehr Spielräume. Doch auch hier erzeugen die freien Waren- und Kapitalmärkte der WTO einen immensen Druck, den Unternehmen Sozial- oder Umweltkosten möglichst zu ersparen, will man nicht ein Abwandern der Betriebe in „kostengünstigere“ Länder riskieren. Also müssten, so Rodrik, den Staaten wieder weniger Freihandel und mehr eigene Politik erlaubt werden, auch beim Kapitalverkehr.

Fehlanzeige herrscht in Rodriks ansonsten wertvollem Buch zu den Themen Wachstumsgrenzen und Klimawandel. Hier bleibt er ein gewöhnlicher Ökonom: Ständig steigender Reichtum weltweit ist auch sein Ziel. Die Debatten über die Grenzen des Wachstums in einer physikalisch endlichen Welt ignoriert er. Genau hierzu und für die Folgen, etwa für neue Konzepte bei der wachstumsorientierten Sozialversicherung, bräuchte man aber mutige, querdenkende Ökonomen.

Schmal, aber global

Ferner: So verständlich Rodriks Nationalstaatsbegeisterung in Zeiten schwächelnder globaler Regelungsversuche ist, so bleibt doch unklar, wie man dann globale Probleme wie den Klimawandel lösen will. Den drohenden Dumpingwettlauf der Staaten um die kurzfristig billigste nationale Klimapolitik tut Rodrik mit dem Hinweis ab: Natürlich wäre eine gemeinsame globale Klimapolitik sinnvoll. Nachdem er doch vorher nachdrücklich die These vertreten hat, dass Staaten sich international niemals auf ernsthafte Politikansätze einigen würden.

Also kommt es vielleicht doch zentral auf zwei Schritte an, die bei Rodrik nicht vorkommen. Auf ein gesellschaftliches Nachdenken darüber, ob immer mehr materieller Wohlstand – mit immer mehr Klimagasemissionen – wirklich der Weg zum Glück sind. Und ein politisches Umdenken dahingehend, dass die weltweite Demokratisierung und letztlich der Aufbau schmaler, aber etwa beim Klimawandel handlungsfähiger globaler Politikstrukturen höchst wichtig wäre. Einfach wird das sicher nicht, damit hat Rodrik recht. Unabhängig von alledem wünscht man Rodrik viele Leser. Denn für eine differenziertere Debatte um Staat, Markt und Freihandel schlägt das Buch eine wichtige Bresche.

Dani Rodrik: „Das Globalisierungs-Paradox. Die Demokratie und die Zukunft der Weltwirtschaft“. Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber. C. H. Beck Verlag, München 2011, 416 Seiten, 24,95 Euro

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