Schizo im Ganzkörperkondom

Richard Linklaters „A Scanner Darkly“, die bislang mit Abstand originellste Verfilmung eines Romans von Philip K. Dick

Die Drogen waren böser geworden, und Philip K. Dick blickte Mitte der Siebziger auf eine lange Liste von Freunden, die es nicht geschafft hatten. Ihnen widmete er seinen Roman „A Scanner Darkly“. Die Namen von Dicks „Kameraden“, wie er sie nannte, stehen auch im Abspann von Richard Linklaters großartiger Verfilmung – was verwundert, weil der autobiografische Touch des Romans aus dem Film weitgehend verschwunden ist.

Es mag daran liegen, dass Linklater wie schon in seinem philosophisch verquasten „Waking Life“ wieder mit der Rotoscope-Technik gearbeitet hat. Vielleicht aber auch daran, dass die Speedfreak-Tics der Schauspieler Robert Downey jr., Woody Harrelson und Rory Cochrane eben immer nur Schauspieler-Manierismen bleiben. Die Realität gerät in „A Scanner Darkly“ gehörig ins Schwimmen. Das digitale Rotoscope-Verfahren, mit dem die Filmbilder durch Interpolation am Computer nachkoloriert werden, ist wie geschaffen für die paranoide Hermetik von Dicks Geschichten.

Es geht wieder um Überwachung und raffgierige Konzerne. Keanu Reeves spielt „Officer Fred“, der unter seinem Alias Bob Arctor eine Gruppe von Drogenabhängigen infiltriert hat, die verdächtigt wird, mit der gehirnschädigenden Droge Substance D (D wie Death) zu handeln. „Officer Freds“ Mission ist so geheim, dass nicht einmal seine Vorgesetzten seine wahre Identität kennen. Zum Rapport erscheint er im so genannten „Scramble Suit“, einer Art Ganzkörperkondom, über dessen Gesichtsmaske in schneller Abfolge mehr als eine Million Kombinationen von Gesichtszügen laufen. Der Effekt des Anzugs ist verblüffend, das zentrale Dick-Motiv des Identitätsverlusts bzw. der Persönlichkeitsspaltung ist nie kongenialer umgesetzt worden.

Und es kommt noch besser: „Officer Fred“ wird auf Bob Arctor angesetzt, weil man in ihm den Drahtzieher eines größeren Drogenrings vermutet. So ist Fred dazu verdammt, täglich mehrere Stunden in der Überwachungszentrale zu sitzen und sein eigenes Junkie-Dasein am Bildschirm zu beobachten. Je näher er der Verschwörung um Substance D kommt, desto mehr verschwimmen seine Realität und die immer häufiger auftretenden Drogenflashs.

Philip K. Dicks Roman war eine recht unorthodoxe Aufarbeitung der eigenen Suchtgeschichte. Linklater hält sich sklavisch an die Vorlage – auch wenn einige der grandios verstrahlten Dialoge in der Drogen-WG ebenso aus seinem Debütfilm „Slacker“ stammen könnten. Ein Kritiker meinte sogar, dass „A Scanner Darkly“ sich verdammt nach 1977 anfühlen würde, was nicht als Kompliment gemeint war, aber durchaus so verstanden werden könnte. Linklater hätte vielleicht wirklich das brisante Überwachungsthema etwas mehr ausarbeiten können. Zu sehr vertraut er auf den Rotoscope-Effekt statt auf seine Schauspieler, deren Physiognomien hinter den wabernden Konturen ihrer Cartoonfiguren manchmal etwas an Profil verlieren.

Aber das sind irrelevante Einwände. „A Scanner Darkly“ ist die bisher mit Abstand originellste Dick-Adaption; eine perfekte Einheit von Inhalt und Form. Man kann dem Kino Central nicht dankbar genug sein, dass es Linklaters Film noch einmal auf die große Leinwand bringt, bevor er in den Videothekenregalen verschwindet. ANDREAS BUSCHE

„A Scanner Darkly“ läuft im Central