Einfach reden

Seit Ottmar Hitzfeld Trainer in München ist, werden taktische Details besprochen – auch deshalb kann der FC Bayern Real Madrid eliminieren und ins Viertelfinale der Champions League einziehen

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Der berühmte Schritt mehr. Der, auf den es ankommt, wenn es gegen die Großen geht. Felix Magath hat davon viel zu wenige getan. Genau betrachtet: fast gar keinen. Ganz anders sein Nachfolger. 25 Minuten sind gegen Real Madrid gespielt, Bayern nach dem Zehnsekundentor von Makaay einsnull vorne, das Viertelfinale in Sicht, als Ottmar Hitzfeld bei Abschlag Kahn seine zwei Stürmer schnell zu sich an die Seitenlinie winkt. Gestikulierend redet er auf Makaay und Podolski ein, kommt ihnen dabei ein Stück entgegen und steht irgendwann ein, zwei Meter im Spielfeld, also zwei, drei Meter außerhalb der sogenannten Coaching Zone, deren Einhaltung vom vierten Unparteiischen streng überwacht wird. Natürlich ist Hitzfeld in keiner Weise böse oder gar wettbewerbsverzerrende Absicht zu unterstellen. Für ihn ist es einfach selbstverständlich, ständig mit seinen Spielern zu reden. Schiri Nr. 4 sieht das genauso, ermahnt Hitzfeld milde. Der nickt verständnisvoll, drückt dem vierten Mann kurz die Hand.

Eine unscheinbare Szene. Und doch sagt sie alles über den Wandel beim FC Bayern. Der Wandel kam mit Hitzfeld. Klingt banal, aber das ist Fußball zuweilen. Hitzfelds Art, auf die Spieler zuzugehen, mit ihnen zu reden, sie zu kritisieren, sie zu analysieren, im Vier- oder Sechs-Augen-Gespräch – nichts anderes steckt hinter der jüngsten Erfolgsserie des Rekordmeisters. Hitzfeld hat keine neuen Spieler mitgebracht, bis auf Hargreaves und Görlitz keine Langzeitverletzten dazu bekommen, Schweinsteiger wieder an die Linie geschickt, Podolski und Makaay zum Laufen gebracht, Lucio die Ausflüge ausgetrieben – das war’s auch schon. Der Rest ist reden. Das konnte Magath auch. Nahm sich immer viel Zeit für die Journalisten. Für seine Spieler blieb wohl nicht genug übrig.

Die Spieler reden nicht schlecht über Magath. Sie reden über Hitzfeld. Bei Mark van Bommel, einem, wenn nicht gar dem Wortführer, klingt das so: „Das ist jetzt nichts gegen Felix, aber mit Hitzfeld haben wir ein bisschen Taktik, nee, viel Taktik gemacht.“

Seit 1. Februar trainiert Hitzfeld den FC Bayern wieder. Die Bilanz ist okay, die Aussichten sind vielversprechend und – das wohl Wichtigste – Stimmung und Gefüge in der Mannschaft stimmen wieder. „Mehr Selbstvertrauen, mehr Stabilität“, hat Vorstandschef Rummenigge ausgemacht. Salihamidzic sagt: „Der Teamgeist ist wieder zurückgekommen. Man merkt, dass jeder an jeden glaubt.“ Der zuletzt arg gescholtene Daniel van Buyten pflichtet bei: „Die Kommunikation ist viel besser. Wir finden uns immer besser auf dem Platz.“ Alles wird besser – wieso eigentlich? „Es gab sehr viele Einzelsitzungen“, erläutert van Buyten, „Hitzfeld kritisiert, zuweilen auch sehr hart.“ Erst am Abend vor dem Real-Spiel hatte der Trainer seine beiden Innenverteidiger zum Video-Abend eingeladen. Es liefen ein paar unvorteilhafte Szenen aus dem Hertha-Spiel. Hitzfeld sagt: „Man muss viel mit den Spielern sprechen und dabei nicht locker lassen.“

Nur: Wie lange noch? Er selbst will Spekulationen um eine Vertragsverlängerung über das Saisonende hinaus vorbeugen, Rummenigge empfiehlt, „ihn jetzt erst mal in Ruhe zu lassen“, und der Kaiser franzelt mal wieder: „Der hat sich jetzt zweieinhalb Jahre ausgeruht. Also bittschön: Das reicht.“ Dass er zwei Minuten vorher zugeben musste, beim dank Elfmetergeschenk für van Nistelrooy (83.Minute) dann doch noch knappen 2:1-Sieg ein paar grauweiße Haare hinzubekommen zu haben, hatte Beckenbauer längst vergessen: „Ich bin in dem Spiel um fünf Jahre gealtert, der Ottmar um zehn.“

In der Tat: So gänsehautig das Spiel begonnen hatte, so endete es auch – fast noch mit dem Ausgleich der enttäuschend spielschwachen Spanier, die auch im neunten Gastspiel in München sieglos blieben. „Das wäre ein Witz gewesen, wenn wir noch ausgeschieden wären“, sagte Hoeneß, „der Sieg ist mindestens zwei Tore zu niedrig ausgefallen.“

Man muss ihm recht geben. Lucio hätte man nach dem wunderschönen Torjubel zum 2:0 noch ein weiteres Trefferchen gegönnt, dem 1:0-Vorbereiter Salihamidzic sowieso. Beide waren vor dem Spiel noch verletzt, rutschten erst kurz vor Anpfiff in die Startelf – weil sie dort unbedingt hin wollten. Und weil sie wichtig sind für die Philosophie Hitzfelds. Spieler, die Hinweise annehmen und bedingungslos umsetzen. „Es ist einfach notwendig, ein paar Anweisungen zu geben“, sagt Hitzfeld. Auch auf dem Platz. Während des Spiels. Einfach immer.

Und einen schönen Gruß noch an den Felix.