Die Hamburger SPD feiert ihren Retter

Mit dem Spitzenkandidaten Michael Naumann ist in der Partei die Hoffnung auf einen Wahlsieg wieder erwacht

HAMBURG taz ■ Der Auftritt war, als sei er bereits zum Bürgermeister gekrönt. Standing Ovations der angerückten Jungsozialisten. Blitzlichtgewitter, als müsste die ganze Stadt anschließend mit Bildern des Kandidaten gepflastert werden. Die Hamburger SPD hat es sogar geschafft, über Nacht Sticker mit dem Porträtbild von Michael Naumann herstellen zu lassen, die an diesem Tag jeder in der Parteizentrale mit Stolz trägt. Erstmals präsentiert sich Naumann, Zeit-Herausgeber und Staatsminister a. D., auf dem Podium als Spitzenkandidat der Hamburger Sozialdemokraten für die Bürgerschaftswahl im kommenden Jahr. Die SPD-Funktionsträger, die sich im Halbkreis um ihn scharen, strahlen wie Frischverliebte nach dem ersten Kuss.

Nach wochenlangem parteiinternem Debakel blicken Hamburgs Genossen endlich wieder nach vorne. Noch am Mittwoch sah es so aus, als könnten sie die Wahl bereits jetzt verloren geben. Zwei Bewerber hatten sich um den Chefsesseel gestritten – und mussten zähneknirschend aufgeben, nachdem bei einer Mitgliederbefragung zur Kandidatenkür Stimmzettel verschwunden waren. In den Tagen danach offenbarte sich die ganze Tristesse, in der die Partei an der Elbe derzeit steckt: Der Vorrat an geeigneten Kandidaten war erschöpft. Dann sagte plötzlich Michael Naumann: Ich tu’s.

Seither ist es unter den Sozialdemokraten, als sei nach langer Winterdepression endlich die Sonne aufgegangen. Plötzlich haben sie nicht nur einen Kandidaten, der auf den Wahlplakaten neben dem CDU-Bürgermeister Ole von Beust ein gutes Bild abgeben wird. Sie dürfen auch wieder die Hoffnung zulassen, den allein regierenden Christdemokraten die Mehrheit abzujagen. Die Idee, Naumann zu fragen, hatte Olaf Scholz, Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und Abgeordneter aus Hamburg-Altona.

Naumann steht für einen echten Neuanfang. In der Hamburger Politik hat er sich noch nicht die Finger verbrannt, mit den Machtkämpfen der vergangenen Wochen hat er nichts zu tun. Jetzt muss er sich nur noch stadtpolitische Kompetenz erarbeiten. Die Figur Naumann eröffnet der SPD auch den Weg in eine rot-grüne Regierung. Naumann macht keinen Hehl daraus, dass er mit dieser Konstellation liebäugelt – wenn er sich auch „zu Koalitionsfragen erst nach der Wahl äußern“ will. ELKE SPANNER