Erst liefern, dann reden

WAFFENEXPORT Grüne fordern Bundestagssondersitzung, Linkspartei will über Lieferungen abstimmen

Die Fraktionsspitze der SPD schließt eine Abstimmung über die Waffenlieferung aus

VON STEFAN REINECKE

BERLIN taz | Der Bundestag soll sich schleunigst mit der beschlossenen Waffenlieferung in den Nordirak befassen. Das fordert die Opposition, vor allem die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt fordert eine Parlamentssondersitzung noch vor nächstem Mittwoch, an dem die Bundesregierung endgültig entscheiden will, welche Waffen den irakischen Kurden geliefert werden.

Die Waffenlieferung in ein Spannungsgebiet sei ein „Paradigmenwechsel“ der deutschen Außenpolitik, so Göring-Eckardt. Rechtlich ist eine Zustimmung des Parlamentes nicht zwingend. (siehe Text unten).

Die Chefin der Linkspartei, Katja Kipping, hält eine Sondersitzung für nicht so dringend. „Das wird an uns nicht scheitern“, sagte Kipping zur taz. Offenbar ist die Linkspartei verärgert, dass die Grünen ohne Absprache mit der anderen Oppositionspartei eine Sondersitzung verlangen. Es ist nicht das erste Mal, dass es zwischen Grünen und Linkspartei nicht rundläuft.

Kipping votiert klar für ein Bundestagsvotum über den Waffenexport. Falls es dazu komme, sei dies „ein Präjudiz für eine Gesetzesänderung“. Denn dann müsse „der Bundestag grundsätzlich bei Waffenlieferungen mitentscheiden“. Damit würden Rüstungsexporte wie Auslandseinsätze der Bundeswehr behandelt – und nicht klandestin im Bundessicherheitsrat jenseits von Parlament und Öffentlichkeit durchgewunken.

Solche weitreichenden Vorschläge stoßen bei Union und SPD auf taube Ohren. Bei Letzteren gibt es immerhin Bewegung in Sachen Sondersitzung – wenn auch anders als von Göring Eckhardt verlangt. Christine Lambrecht, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, erklärte am Donnerstag: „Wir halten eine Debatte des Bundestages für politisch geboten.“ Das Parlament habe das Recht, „über die schwierige Entscheidung und den dazugehörigen Abwägungsprozess in einer Sondersitzung informiert zu werden und zu debattieren“. Diese Sitzung soll allerdings nach der Entscheidung stattfinden, welche Waffen geliefert werden.

Die Sozialdemokraten suchen offenbar einen Termin in der erste Septemberwoche – eine Woche bevor der Bundestag regulär wieder zusammentritt. Dann aber werden die Waffen wohl schon auf dem Weg in den Irak sein. Eine Abstimmung über die Waffenlieferung schließt die Fraktionsspitze der SPD um Thomas Oppermann aus.

Die Entscheidung für die Waffenlieferung an die irakischen Kurden kritisierte Linkspartei-Chefin Kipping mit scharfen Worten. „Die Große Koalition inszeniert einen Tabubruch, der Deutschland künftig in noch mehr Kriege hineinziehen kann“, so Kipping. Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete sie als „Heuchler“. Im Irak mangele es „auf keiner Seite an Waffen“. Steinmeier hatte die angekündigten Waffenlieferungen damit begründet, dass die Peschmerga, die Milizen der irakischen Kurden, mehr und besseres militärisches Gerät brauchen, um sich gegen die terroristische IS-Miliz zu verteidigen.

Harte Kritik an dem Beschluss kommt auch von Jürgen Grässlin, Sprecher von „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“. Grässlin sagte der taz, dass diese Waffenexporte „in der Jahrzehnte währenden Tradition deutscher Kriegswaffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete“ stehen. Besonders gefährlich sei, dass sie an einen nichtstaatlichen Empfänger gehe. „Waffen für die Peschmerga ist ein Präzedenzfall, der als Türöffner für kommende Waffentransfers dienen kann,“ so Grässlin.

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