BÜCHER MIT SEX
: Alle gleich

Ich muss ein bisschen lachen und sage „Oh“

Natürlich bin ich abends beim Lesen weggepennt. Deshalb lese ich wieder mal den Text fürs Seminar erst in der U-Bahn. Blöd, weil ich nur zehn Minuten fahre, das ist zu wenig für einen Aufsatz. Ich lese „Sexual Solipsism“, von Rae Langton, und neben mir sagt jemand: „Das muss ja ein sehr spannendes Buch sein.“

Ich schaue ihn an. Ein schmierig-dummer Typ, paar Jahre jünger als ich. „Hmm ja“, sage ich. Er fragt, worum es geht. Ich sage, es geht um Verdinglichung und Instrumentalisierung, solche Sachen.

Er nickt. „Ich lese gerade etwas ganz Ähnliches“, sagt er. Verwirrung bei mir. Sicher? Ich schaue ihn an: „Ah. Was denn?“ Er: „Lob des Sexismus: Frauen verstehen, verführen und behalten.“ Ich muss ein bisschen lachen und sage „Oh“ – wie wenn einem ein Säugling auf die Schulter kotzt: ein bisschen angewidert und ein bisschen verständnisvoll. „Also ich glaube“, sage ich, „das ist nicht so ähnlich. Mein Buch ist eher so feministisch, weißt du?“ Der kleine Schmierinski zieht die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, es ist so ähnlich, wegen dem Titel.“ Ich: „Also, weil es was mit Sex ist?“ Ja, sagt er.

Ich muss aussteigen und denke, ja, wir haben alle unsere kleinen Wahrheiten.

Als ich spät am Abend nach Hause fahre, sind nur wenige Leute unterwegs. Es ist unter der Woche und ich nehme die letzte U-Bahn. Ein älterer Mann mit lumpigen Klamotten hält sich an der Mittelstange fest und schimpft. Er hält die Bierflasche schief, das Bier läuft heraus, er schimpft noch mehr. „Ihr habt doch alle keine Götter mehr!“, ruft er in den Waggon. Er muss nicht schreien, alle hören ihn. Niemand antwortet. „Ihr nehmt nicht mal Jesus ernst!“ Er dreht sich um die Stange. „Ich finde euch alle scheiße – egal ob Mann oder Frau!“ Das mit den Göttern kann ich nicht beurteilen. Aber eins muss man ihm lassen: Da ist keine Spur von Sexismus.

MARGARETE STOKOWSKI