DER BUNDESTAG HAT EINE GRUNDSATZDEBATTE ZU AFGHANISTAN VERMIEDEN
: Kollektiver Eiertanz

Rechthaber kann niemand leiden. Aber ohne Problemanalyse fällt die Bewältigung schwer. Wer über Fehler der Vergangenheit grundsätzlich nicht sprechen will, läuft Gefahr, sie zu wiederholen. Die Entsendung weiterer Truppen nach Afghanistan wird das grundsätzliche Dilemma der Nato dort nicht lösen. Nötig sind keine Tornados – gebraucht wird eine ehrliche Auseinandersetzung über die Ziele deutscher Sicherheitspolitik.

Niemals zuvor war ein Auslandseinsatz der Bundeswehr im Parlament so umstritten wie jetzt die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan. Erstaunlich, denn die Tornados sind nur materieller Ausdruck einer Militärpolitik, gegen die – mit Ausnahme der Linkspartei – keine Fraktion des Bundestages je grundsätzliche Bedenken erhoben hat. Die Militärintervention in Afghanistan 2001 wurde von einer überwältigenden Mehrheit der Parlamentarier unterstützt. Ist sie jetzt nur deshalb falsch, weil sie erkennbar erfolglos ist? Oder muss man zugeben, dass sie von Anfang an ein Fehler war?

Widerspruchslos akzeptiert wird übrigens auch das neue Weißbuch, in dem der Zugang zu Rohstoffen als legitime Begründung für militärische Interventionen genannt wird. Finden die meisten Abgeordneten das eigentlich wirklich richtig? Oder versuchen sie nur, sich vor einer Grundsatzdiskussion zu drücken?

In der Union mehren sich die Stimmen derer, die fragen, was Bundeswehrsoldaten eigentlich in entlegenen Staaten zu suchen haben. Die SPD schwankt – wie häufiger in ihrer Geschichte – zwischen der Angst vor dem Vorwurf mangelnder Bündnistreue und wachsender Abneigung gegen die Militarisierung der Außenpolitik. Die Grünen versuchen, Glaubwürdigkeitsverluste aus der Zeit der rot-grünen Koalition dadurch wettzumachen, dass sie ihre Zustimmung zu einer Politik verweigern, die sie in ihrer Regierungszeit selbst entwickelt haben. Und die FDP bemüht sich, für Teile der von den Grünen enttäuschten Wählerklientel interessant zu werden. Vertrauen erweckt dieser kollektive Eiertanz nicht. BETTINA GAUS