Leuchtfunzel aus Brüssel
: KOMMENTAR VON STEPHAN KOSCH

Wenn das so weitergeht, prangt bald der Umweltengel auf dem Kanzleramt. Europa ist wieder einmal voll des Lobes über Angela Merkel, die gestern die EU-Staatschefs scheinbar auf Klimaschutzlinie gebracht hat. Sie selbst ginge mit gutem Beispiel voran und habe in die allermeisten Lampen ihres Privathauses bereits Energiesparlampen gedreht, erklärte die Kanzlerin. Dabei gäbe es nur ein Problem: Wenn sie etwas auf dem Boden suche, dann habe sie noch Schwierigkeiten, es zu finden.

Damit hat Merkel ungewollt die passende Metapher für den gestrigen Klimaschutzplan Europas geliefert. In den Niederungen verlieren die leuchtenden Versprechen an Strahlkraft.

Das beginnt mit dem Ziel, den Kohlendioxidausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Das klingt ambitionierter, als es ist. Denn der Vergleichswert ist das Jahr 1990. Seitdem haben die neuen EU-Länder in Osteuropa einen großen Teil ihrer Industrie stillgelegt. Dieser Effekt hat schon im wiedervereinigten Deutschland zu einer Prima-Klima-Bilanz geführt. Für die EU bringt das bereits 15 Prozent Kohlendioxidreduktion. Damit schrumpft die scheinbar ehrgeizige Zielvorgabe auf gerade mal 5 Prozent zusammen.

Selbst die müssen erst einmal geschafft werden. Denn was in den lichten Höhen der EU-Gipfel beschlossen wird, muss in den Niederungen der einzelnen Staaten noch lange nicht umgesetzt werden. Das bisherige Klimaschutzziel – 8 Prozent weniger CO2 bis 2012 – ist kaum noch zu schaffen, mahnte die EU-Kommission im vergangenen Oktober. Viele Länder hängen weit hinterher.

Warum sollte das beim neuen Klimaschutzziel jetzt anders sein? Klar: Seit das Thema die Boulevardmedien und die politische Bühne erobert hat, ist es im Mainstream angekommen. Doch in den Verhandlungen mit der Industrielobby wird so manche klare Vorgabe zerredet: Zuletzt war das beim Gezerre um die Verbrauchsgrenzen für Neuwagen zu beobachten.

Das Ergebnis des EU-Gipfels ist zwar ein hoffnungsvolles Leuchtsignal auf dem langen Weg des Klimaschutzes. Es bleibt aber offen, wer sich wirklich daran orientieren wird. Doch wer es nicht tut, muss wissen: Es droht der baldige Schiffbruch.