Lieber viertklassig als verschuldet

Amateurvereine bleiben im Fußball auf der Strecke. Wegen hoher Auflagen und steigender Kosten verzichten sie auf einen Aufstieg in die Profiligen. Jüngstes Negativ-Beispiel ist der ehemalige deutsche Vizemeister Westfalia Herne

HERNE taz ■ Dem deutschen Profifußball gehen die Vereine aus. Aus Angst vor zu hohen Auflagen des Deutschen Fußballbundes (DFB) und den dadurch entstehenden Kosten verzichten etliche Traditionsclubs lieber auf den sportlichen Erfolg und machen es sich in der Amateurklasse bequem. „Im Fußball findet derzeit ein Verdrängungsprozess statt“, sagt Dieter H. Jütting, Sportwissenschaftler an der Universität Münster. „Etliche Vereine bleiben dabei auf der Strecke.“

Jüngstes Opfer ist der ehemalige deutsche Vizemeister Westfalia Herne. Der Ruhrgebietsclub hat für die kommende Saison keine Regionalliga-Lizenz beantragt, obwohl er den Aufstieg in dritte Liga schaffen könnte. „Es wäre ein finanzieller Drahtseilakt mit ungewissem Ausgang geworden“, sagte der Vereinsvorsitzender Jürgen Stieneke. Der Etat müsse auf mindestens 1,5 Millionen Euro verfünffacht werden, Auflagen wie Flutlicht, Zäune und eine Gewährleistung der Blocktrennung rivalisierender Fans seien Vorschrift. „Schon der Antrag hätte eine Menge Geld gekostet“, so Stieneke. Gemeinsam mit drei anderen Vereinen, darunter auch Ex-Erstligist Preußen Münster, kämpfen die Herner um die Tabellenspitze, ohne am Ende aufsteigen zu können. Die Mannschaft um Trainer und Ex-Profi Frank Schulz reagierte „geschockt“.

„Die Bereitschaft in den Amateurfußball zu investieren ist bei vielen Sponsoren nicht mehr vorhanden“, sagt Jütting. Vor allem im Ruhrgebiet sei es schwierig. „Es fehlt das Einzugsgebiet“, so Jütting. Mit Einführung der eingleisigen dritten Profiliga zur Saison 2008/2009 werde sich der Verdrängungsprozess weiter beschleunigen.

Der Aufwand wächst. Beim Regionalligaspiel Fortuna Düsseldorf gegen Dynamo Dresden vor einigen Wochen sollten mehr als 1.000 Polizisten dafür sorgen, dass die Krawalle ausbleiben. Dennoch flogen Gegenstände und Rauchbomben. Der DFB setzt die Vereine jetzt unter Druck: Fortuna Düsseldorf drohen im Wiederholungsfall eine Platzsperre und eine fünfstellige Geldstrafe.

Clubs wie Westfalia Herne haben jedenfalls keine geeignete Infrastruktur, um diese Vorgaben zu erfüllen. Das Stadion am Schloss Strünkede ist zwar bundesligaerprobt – der VfL Bochum nutzte es in der Saison 1976/77 als Ausweichquartier – aber mittlerweile ziemlich baufällig. Eine Sanierung ohne zahlungskräftige Sponsoren sei nicht machbar, heißt es aus dem Verein. Und da man nicht dieselben Fehler wie in der Vergangenheit machen möchte, dürfte der Profifußball auf lange Sicht unrealistisch bleiben. 1975 hatte sich der damalige Zweitligist Herne von Tankstellenbesitzer Eberhard Goldbach abhängig gemacht. Als die Steuerfahnder dem Sponsor im Jahr 1979 auf die Schliche kam, setzte er sich ins Ausland ab – Herne bekam die Lizenz entzogen und stieg in die drittklassige Oberliga ab.

Doch auch andere Vereine haben in der Vergangenheit lieber das Geld zusammengehalten. Die Spielvereinigung Velbert verpasste es in der Saison 2003/2004 einen Lizenzantrag für die Regionalliga Nord zu stellen. Am Ende der damaligen Oberliga-Saison waren die Velberter plötzlich Tabellenerster – aufsteigen durfte der Zweite Fortuna Düsseldorf. Die Velberter profitierten davon, dass die Düsseldorfer im Wissen um die Nachlässigkeit der Konkurrenz die letzten Spiele etwas lockerer angingen. Im Jahr darauf hatte die Vereinsführung die Unterlagen rechtzeitig eingereicht. „Jetzt liegt die Verantwortung über die Teilnahme an der Regionalliga wieder dort, wo sie eigentlich hingehört“, hieß es in einer Mitteilung des Vereins. Leider konnte diesmal das Team den Anforderungen nicht gerecht werden. Die Regionalliga blieb ein Traum.

HOLGER PAULER