Türkei sondiert Vermittlung

LIBYEN Europareise eines Gaddafi-Gesandten löst Spekulationen über diplomatischen Ausweg aus. Weitere Kämpfe in Brega und Misurata

„Gaddafi und seine Familie müssen das Land verlassen“

ITALIENS AUSSENMINISTER FRATTINI

TRIPOLIS / ATHEN / BREGA rtr/dpa | Nach drei Wochen westlicher Luftangriffe und festgefahrenen Bodenkämpfen wirbt der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi offenbar für einen Waffenstillstand. Die diplomatische Offensive stieß am Montag auf ein geteiltes Echo: Während Italien den Vorstoß aus Tripolis kategorisch zurückwies, äußerte die Türkei die Bereitschaft zur Vermittlung.

Der stellvertretende libysche Außenminister Abdelati Obeidi traf am Sonntag überraschend in Athen ein, um bei der griechischen Regierung für einen Waffenstillstand zu werben. Ein Sprecher des griechischen Außenministeriums sagte, es müsse nun abgewartet werden, ob in Libyen ein nationaler Dialog möglich sei. Die Türkei, die am Montag den Besuch Obeidis erwartete, erklärte sich zur Vermittlung bereit. Die Regierung in Ankara wolle darüber auch mit einem Vertreter der Rebellen beraten. Beide Seiten hätten mitgeteilt, wie sie über einen möglichen Waffenstillstand dächten.

In Italien, das ebenso wie Griechenland und die Türkei gute Beziehungen zu Libyen unterhalten hatte, stieß der Vorstoß aus Tripolis auf Ablehnung. „Diese Vorschläge sind nicht glaubwürdig“, sagte Außenminister Franco Frattini in Rom. Seine Regierung erkenne nur noch die Führung der Rebellen als einzige legitime Vertretung des libyschen Volkes an. „Eine Lösung für die Zukunft Libyens hat eine Vorbedingung: Gaddafis Regime muss verschwinden, Gaddafi und seine Familie müssen das Land verlassen“, sagte Frattini.

Spekulationen über ein Ausstiegsszenario nährte auch ein Bericht der New York Times. Diesem zufolge habe der Sohn des Diktators, Saif al-Islam, einen Lösungsvorschlag für den Konflikt mit den Rebellen unterbreitet, der auch den Rückzug seines Vaters vorsieht. Dies habe die Zeitung von einem Diplomaten mit engen Verbindungen zum libyschen Regime erfahren. Der Vorschlag sei allerdings weder bei der Regierung noch bei den Rebellen auf offene Ohren gestoßen.

Derweil verkündeten die Rebellen, sie hätten die umkämpfte Ölstadt Brega wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Gaddafis Truppen stünden nun am westlichen Stadtrand. Jeder Vorstoß der Rebellen werde mit Beschuss aus Granatwerfern beantwortet. Die Stadt wechselte bereits mehrfach den Besitzer das Fehlen moderner Waffen.

Besonders heftig wird auch um Misurata im Westen Libyens gekämpft. Aus der Stadt in Sicherheit gebrachte Verwundete sprachen einem Massaker, das sich dort abspiele. „Stell dir vor, die setzen Panzer gegen Zivilisten ein“, sagte ein Schwerverletzter, der von einem türkischen Schiff aufgenommen wurde. Das Schiff, das 250 Verwundete in die Türkei transportieren soll, musste in aller Eile in Misurata ablegen, weil tausende verzweifelte Zivilisten in den Hafen drängten, um mitgenommen zu werden.

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