Mit den Augen des Käpt’n

Präparierte Raubfische und Ausspannen auf karierter Kojenbettwäsche: Fotos und Mitbringsel deutscher Seeleute aus den Jahren 1950 bis 1980 zeigt jetzt das Hamburger Speicherstadtmuseum in der Schau „Auf großer Fahrt!“

Schilder im Treppenhaus des ehemaligen Lagerhauses der Firma Eichholz & Co. warnen: Die Belastungsgrenze der Böden des 3. und 4. Stockwerks liegt bei 1.800 Tonnen – weit weniger, als eines der Handelsschiffe wiegt, um die es in der Sonderausstellung „Auf Großer Fahrt!“ geht. Der Holzboden knarzt. Und eines gleich voraus: Ladung und Fracht sind nicht dasselbe – Ladung ist Ware, Fracht ist Geld.

Wie es aussah, wenn Rohwaren und andere Güter über die Weltmeere nach Hamburg gebracht wurden, und was dann an und von Bord noch so los war, das dokumentiert diese Ausstellung, die das Museum mit dem Kapitänsbund der Hapag-Lloyd zusammengestellt hat. Rund 300 Fotos und Souvenirs aus den privaten Beständen der Seeleute zeigen deren subjektiven Blick auf Bordalltag und Freizeit in der weiten Welt. Zwischen 1950 und 1980 entstanden sind die Bilder, ehe mit der Einführung von Containern viel von dem verloren ging, was man so „Seefahrerromantik“ nennt. Das Deckschrubben zum Beispiel, das Kartoffelschälen, auch Malarbeiten. Im sonnigen Gegenlicht sehen wir da einen Mann, der lässig auf einem frei über dem Wasser baumelnden Anker steht und ihn anstreicht, ungesichert, eine Kippe im Mund. Größere Gefahr für Ladung und Leben bestand bei hohem Seegang. So wird auf vier Bildern ein abrutschender Holzcontainer dokumentiert, ehe er versinkt. Und das Foto von einer grünblauen Wasserwand kann nur ahnen lassen, welchen Gewalten ein Schiff ausgesetzt war.

Beeindruckt waren die Männer offensichtlich auch von präparierten Piranhas oder schlüpfrigen Asia-Schnitzfiguren – Exotika, die sie aus der Fremde mitbrachten. „Der Ruf der Seeleute, die in der Liegezeit nicht ausschließlich kulturellen Leidenschaften nachgingen, begründet sich in dieser Zeit“ heißt es in der Ausstellung: Des Seemannes Kaufkraft reichte während des Wirtschaftswunders nicht nur für Souvenirs. Meist aber schlauchte der Alltag an Bord derart, dass alle Entspannung im Lesen und Schmöken auf den karierten Bettbezügen der Kojen bestand.

Kapitän Klews erzählt via Monitor Anekdoten aus dem Bordleben. Doch Spaß-Rituale wie die „Äquatortaufe“ hin, feuchtfröhliche Feiern her: Benimm war ein Muss – wegen der strengen Ethik und weil Handelsschiffe Passagiere mitnehmen konnten. Da lacht die Ehefrau des Käptn’s vom Bild, und die Schönheits-Miss von 1965, Ingrid Finger, nagt an einem Hühnerbein. Das elegante Porzellan, von dem sie vielleicht speiste, lässt sich auch bewundern, mit Schiffs-Logo auf Gläsern und Speisekarte.

Ja, wer eine Reise tut, der kann was erleben, und einen Seemann kann so leicht nichts erschüttern. Wer’s nicht glaubt, der fragt den Museumsleiter, Herrn Rademacher. Der ist selbst Jahre lang zur See gefahren. Imke Staats

„Auf Großer Fahrt! Seemannsfotos 1950–1980“, bis 4. November im Speicherstadtmuseum, St. Annenufer 2, Hamburg