Papa ist der Beste

Warnung vor der Ödipusfalle: Das Disney-Musical „Die Schöne und das Biest“ feierte am Potsdamer Platz eine natürlich superperfekte Premiere

VON KIRSTEN RIESSELMANN

Der schnöde Alltag kann einem manchmal suggerieren, dass Abendmode-Abteilungen in Kaufhäusern überflüssig sind. Eine Galapremiere mit Dresscode allerdings lehrt einen anderes. Noch bevor irgendein Bühnenbiest in Erscheinung trat, gab es am Potsdamer Platz am Freitagabend schon ein gerüttelt Maß an Scheußlichkeiten zu besichtigen. Plissierte Stolen in Tomatenrot, fleischfarbene Gazeschals über nackten Schultern, mit Pelz abgesetzte, ausladende Dekolletés, cremefarbene Smokings zu weißen Slippern, kleine Mädchen in rosa Dornröschenkleidern.

Zur Berliner Hautevolee aus Soap-Schauspielern, Anwaltspärchen und männerbündischen Rotary-Club-Mitgliedern gesellten sich zur Premiere des Disney-Musicals „Die Schöne und das Biest“ immer traubenförmig zusammengeballte Misses mit schwarzrotgoldenen Schärpen, Rainhard Fendrich sowie Menschen, die sich über Sektgläsern Sätze zuwarfen wie: „Ach ja, dann bin ich ja auch noch Regisseur hie und da.“ Amüsiert wirkten sie auf jeden Fall alle, alle 1.800.

1991 kam der Disney-Film ins Kino, seit 1994 läuft das Märchen von Belle, die es einem in einen langmähnigen Gehörnten verwandelten Prinzen durch ihre Liebe ermöglicht, sich wieder in einen gebleckt grinsenden Semi-Beau zurückzuverwandeln, am New Yorker Broadway. Und jetzt eben auch in deutscher Adaption bis September in Berlin. Für die ganze Familie. Die anwesenden Kinder freuten sich auch tatsächlich lautstark – immer dann, wenn Obermacho Gaston, der Belle unbedingt heiraten will, seinem Sidekick, dem Hanswurst Lefou, eins auf den Deckel gab.

Kinder können aber natürlich von diesem Märchen auch etwas lernen. Erstens: Papa ist der Beste. Auch wenn frau gerade beim Candle-Light-Dinner sitzt und der neuen, wenn auch hässlichen Liebe tief in die Augen blickt: Es gilt, in diesem Moment aufzuspringen und sich um Papa zu kümmern. Zweitens: Frauen mögen illiterate Männer – man kann ihnen ja aus der Artus-Sage vorlesen und sie so vom Grobian zum Charmeur wandeln. Drittens: Eine Frau darf gern ihren eigenen Kopf haben und den Macho nicht heiraten wollen, wenn sie als Gegengewicht zu so viel Emanzipiertheit große Affinität an den Tag legt zu empfindsamen Tätigkeiten wie Blumengießen, Romanlesen und Schalsstricken (aber nur für Papa!).

Was die ganze Familie außer diesen didaktisch wertvollen Erkenntnissen aus dem Musical sonst noch mitnehmen kann: sich ständig drehende Bühnenbilder, viel französelnden Slapstick (die Geschichte spielt ja in Frankreich) und gutverdauliche Gesangseinlagen, die sogar die übliche Popsonglänge meist unterschreiten. Und eine einzige wirklich hübsche, latent campy Kabarettnummer, in der das gesamte Schlosspersonal des Biests, verwandelt in Haushaltsgegenstände (Kerzenständer, Servietten, Teller, Kommoden und Kaffeetassen) einen auf Moulin Rouge macht.

Aufführungen tägl. außer Di.; Karten & Infos: www.stage-entertainment.de