Der lange Marsch zur Ökologie

Als erster chinesischer Staatschef bekennt sich Wen Jiabao zum Umweltschutz, verkündet Energie-Sparziele und droht mit Firmenschließungen. Umweltschützer sind erfreut, Diplomaten bleiben skeptisch: Die Umsetzung wird schwierig

AUS PEKING GEORG BLUME

Golf heißt eines der beliebtesten sportlichen Vergnügen der neureichen chinesischen Mittelschicht. Doch der Spaß könnte bald ein Ende haben: „Besonders zu verbieten ist die Nutzung von Boden für das Anlegen von Golfplätzen“, forderte Chinas Premierminister Wen Jiabao, als er letzte Woche vor dem Nationalen Volkskongress in Peking seinem Land die umweltpolitischen Leviten las.

Wens Rede wird in die Historie der Umweltpolitik eingehen. Wie vor ihm kein regierender Kommunist erhebt er den Anspruch, „den Umweltschutz als wichtige Handhabe zur Veränderung des Wirtschaftswachstumsmodus“ einzusetzen. Zu diesem Zweck will er nicht nur Golfplätze verbieten, sondern „die rückständigen Produktionskapazitäten aussondern“. Und zwar nicht zu zimperlich. Alte Gießereien, die mehr Stahl als Deutschland und mehr Eisen als die gesamte EU produzieren, will Wen in den nächsten fünf Jahren schließen lassen. Firmen, die Chinas weltweit gelobte Umweltvorschriften nicht einhalten, sollen ab sofort „ihre Produktion gesetzesgemäß einstellen“. Wann hat es das je gegeben: einen Kommunisten, der offensiv einfordert, für den Umweltschutz Firmen und Fabriken aufzugeben?

Die chinesische Umweltexpertin Yu Jie, Programmberaterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Peking, ist entsprechend angetan: „Der gute politische Wille der Zentralregierung stellt eine Herausforderung für das ganze Land dar“, mahnt sie die Chinesen, Wens Vorgaben einzuhalten. Damit spricht sie das Hauptproblem an. Denn viele ihrer Mitbürger wollen lieber weiter Golf spielen, statt Pekings neuen Ökozielen zu folgen.

Für besonders ambitioniert hält Yu die Energiesparziele der Regierung Wen: Bis 2010 soll der Energieverbrauch pro Einheit des Bruttosozialprodukts um 20 Prozent sinken. Yu weiß, dass Wen dieses Ziel im alten planwirtschaftlichen Stil volontaristisch diktiert hat. Sie denkt, dass es der Pekinger Regierung bis heute an Expertise fehlt, wie genau man das Ziel erreichen könne. „Derzeit ist das meiste Wachstum in China sehr kapitalintensiv. Das macht das Energiesparen besonders schwer.“ Aber Yu zweifelt nicht am politisch-ökologischen Willen Wens und der Partei.

Noch etwas skeptischer beurteilen deutsche Diplomaten in Peking die Rede Wens. Zu früh sei es, von einem ökologischen Paradigmenwechsel der kommunistischen Politik zu sprechen, allenfalls ein Bewusstseinswandel sei zu spüren, hört man aus ihren Kreisen. Als Hauptproblem sieht man die Durchsetzbarkeit der Ziele Wens. Denn was in Peking gesagt werde, spiele für die Provinzregierungen oft keine Rolle. Diese aber blieben dem alten Wachstumsdenken verhaftet. Auch seien schon viele gute Ideen im Sande versickert.

So habe der mutige chinesische Vizeumweltminister, Pan Yue, im vergangenen Jahr die Einführung des sogenannten grünen Bruttosozialprodukts vorgeschlagen. Alle Angaben zum BSP sollten in Zukunft die Umweltfolgekosten berücksichtigen, verlangte Pan – womit in China ein Großteil des jährlichen Wachstums hinfällig würde. Doch von der ökologischen BSP-Bemessung sei heute keine Rede mehr, bemängeln die deutschen Diplomaten. Also wollen sie auch den Ankündigungen Wens nicht trauen.

Selbst eine gewöhnlich so kritische Frau wie Wang Yongchen aber ist am Ende der ersten Volkskongresswoche in Peking irgendwie begeistert. Wang zählt zu den Gründerinnen der Umweltbewegung in China, sie leitet das Pionier-NGO Green Earth Volunteers. „Wir brauchen in China eine sehr, sehr starke Zentralregierung, damit etwas im Umweltschutz in Gang kommt. Aber am Ende brauchen wir jeden Bürger, um wirklich erfolgreich zu sein“, sagt Wang.

Nun würden die parteizensierten chinesischen Medien seit Tagen so viel wie nie zuvor über die Umweltverschmutzung im Land berichten. „Das ist eine sehr gute Entwicklung“, findet Umweltschützerin Wang.