Besser als das Original

HERAUSFORDERER Bei der 0:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen zeigt sich, dass Borussia Dortmund heftig unter den Nachwehen der WM leidet. Von diesem Problem könnte der Werksklub auch längerfristig profitieren

Karim Bellarabi hat das schnellste Tor der Bundesligageschichte erzielt

AUS DORTMUND DANIEL THEWELEIT

Jürgen Klopp reagiert mitunter ziemlich empfindlich, wenn gegnerische Mannschaften seinem BVB mit Strategien und Methoden weh tun, die er einst selbst in der Bundesliga etablierte. Als der FC Bayern unter Jupp Heynckes nach zwei Dortmunder Meisterjahren das Triple gewann, erhob Klopp seltsame Plagiatsvorwürfe, „wie die Chinesen in der Wirtschaft“ kupfere der Rekordmeister zentrale Merkmale des Dortmunder Fußballs ab, meinte der Trainer damals.

Am Wochenende ist der BVB nun von Bayer Leverkusen besiegt worden, auch die runderneuerten Rheinländer haben bei ihrem beeindruckenden 2:0-Sieg im Westfalenstadion viele Ideen aus der Dortmunder Denkfabrik umgesetzt, woraufhin Klopp sich ein paar despektierliche Worte nicht verkneifen konnte. Leverkusen spiele „so extrem ballorientiert, wenn du da einmal auf die andere Seite kommst, läufst du mit zwei Mann auf deren Tor zu“. Was so viel heißt wie: Die Balance zwischen Nutzen und Risiko im Spiel der Werkself ist längst nicht so ausbalanciert, wie beim BVB oder genauer: wie beim BVB an guten Tagen.

Einen guten Tag hatten die Dortmunder nämlich keineswegs. Bereits nach neun Sekunden führte der Gast mit 1:0. Karim Bellarabi hatte das schnellste Tor der Bundesligageschichte erzielt. Den alten Rekord hielten Ulf Kirsten (ebenfalls Leverkusen), Paul Freier (VfL Bochum) und Giovane Elber (Bayern München), die jeweils nach elf Sekunden getroffen hatten.

Schon dieses frühe Tor sei „kein Zufall“, sondern ein Resultat des neuen superaggressiven Pressingfußballs der Leverkusener gewesen, sagte Bayer-Sportdirektor Rudi Völler, dessen Mannschaft den BVB dann eine Halbzeit lang in der eigenen Hälfte einschnürte. An einen geordneten Spielaufbau war unter diesem Dauerdruck nicht zu denken. „So, wie Leverkusen begonnen hat, wollten wir eigentlich spielen“, sagte Neuzugang Matthias Ginter später und gab damit zu, was Klopp nicht wirklich wahrhaben wollte: In gewisser Weisen waren die Rheinländer an diesem Tag die besseren Dortmunder. Der BVB-Trainer mochte die einseitige erste Halbzeit lieber mit dem frühen Gegentor erklären als mit der überzeugenden Leistung des Gegners. „Das hat das Spiel dramatisch beeinflusst, das stärkt den Gegner und verunsichert einen selbst“, meinte er.

Diese Argumentation ist bestimmt nicht falsch, der Kern der Dortmunder Startschwierigkeiten liegt aber anderswo. Während bei Bayer Leverkusen kaum Spieler verletzt sind, und nur Son Heung-Min und Emir Spahic an der WM teilnahmen (wo sie bereits in der Vorrunde ausschieden), befindet sich der BVB noch inmitten des nachweltmeisterlichen Selbstfindungsprozesses. Und der wird noch erschwert, weil Marco Reus nach seiner Verletzung die Form fehlt.

Vor allem um dem neuen italienischen Stürmer Ciro Immobile den Einstieg ins Dortmunder Spiel zu erleichtern, hat Klopp für die erste Hälfte ein 4-4-2-System mit Raute gewählt, aber das hat überhaupt nicht funktioniert. Erst nach der Rückkehr zum alten 4-2-3-1 wurde die Mannschaft stabil. Wobei spielerisch überzeugende Situationen auch in der ausgeglichenen zweiten Halbzeit selten blieben. Als Stefan Kießling dann in der Nachspielzeit zum 0:2 traf, war diese verdiente Niederlage ebenso unausweichlich wie die Einsicht, dass der BVB nicht die Mannschaft der ersten Saisonphase werden wird.

Verschiedene Experten hatten ja gemutmaßt, die traditionellen Probleme, die Bayern München nach Weltmeisterschaften hat, könnten sich als Chance für den BVB entpuppen. Die Dortmunder scheinen aber derzeit mindestens ebenso unter den Folgen des WM-Turniers in Brasilien zu leiden, was wiederum Leverkusen in die Rolle des aussichtsreichsten Frühstarters befördert. Diese These wiesen die Verantwortlichen aus der Chemiestadt allerdings weit von sich. „Wir wollen die Bäume jetzt nicht in den Himmel wachsen lassen“, sagte Geschäftsführer Michael Schade. Auch in Leverkusen gibt es Leute, die Klopps These von der etwas zu großen Risikobereitschaft des neuen Trainers Roger Schmidt teilen und die fürchten, dass schon bald erste Teams probate Gegenstrategien finden.