KINDER UND STROMSPAREN
: Möge ihnen ein Licht aufgehen

MAIK SÖHLER

Sie lernen es nicht. Und ich verstehe es nicht. Dabei ist das Prinzip so einfach: Schalter betätigen, Licht an. Schalter betätigen, Licht aus. Licht an – kein Problem. Das können meine Kinder besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Und weil sie es so gut können, funktioniert der zweite Teil eben nicht. Solche Laien im Lichtausmachen gibt es nirgendwo sonst im Universum.

Ein Kind steht auf, geht in seinem Zimmer etwas holen, kommt wieder. Ohne es zu sehen, weiß ich: Dort, wo eben keins war, ist jetzt das Licht an. Im Winter wie im Sommer, tags und nachts, egal wie hell oder dunkel es gerade draußen ist. Ich sage: „Licht aus!“ Das Kind steht auf, geht in sein Zimmer, macht das Licht aus, trödelt noch ein wenig im Flur herum und kommt zurück. Das Licht im Kinderzimmer ist nun aus, das im Flur ist jetzt an. Ich sage: „Licht aus!“ Wieder geht das Kind, macht das Flurlicht aus, geht schnell noch ins Bad, kommt wieder. Nun ist das Flurlicht aus und das Badlicht an. Ich sage: nichts mehr, ächze nur noch. Seit Jahren geht das so. Es ist ihnen nicht beizubringen. Nette Worte. Schimpf und Schande. Vorbild sein und selbst darauf achten, das Licht auszumachen. Unverhältnismäßige Drohungen, Taschengeld und Stromrechnung miteinander in Verbindung zu bringen. Bittebittebitte sagen. Nichts hilft. Was soll’s. Wird schon noch kommen. Es gibt Schlimmeres. Sie haben ja auch gelernt, sich die Schuhe zu binden.

Bin ich zu penibel? Ja, sicher. Aber diese horrenden Stromrechnungen immer.

Ein Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken. Irgendwo in der Ferne macht ein Lichtschalter klack. Neue Gedanken kommen. Kann ich aus acht Meter Entfernung an der Art des Klack erkennen, welches Kind gerade den Lichtschalter in welchem Zimmer betätigt hat?

Beim Brettspiel „Cluedo“ muss man so lange Verdächtige, Tatorte und Tatwaffen ausschließen, bis sich die Lösung von selbst ergibt. Dass ein Kind irgendwo das Licht ausgemacht hat, kann ich per se verneinen. Also sage ich nur: „Sohn, Flur.“ Nichts da. „Tochter, Wohnzimmer“ wäre richtig gewesen. Nach nur wenigen Minuten folgt der zweite Versuch: „Tochter, eigenes Zimmer.“ Tochter stimmt, das Zimmer ist falsch. Nach einer Stunde habe ich den Bogen raus. Meine Trefferquote liegt bei über 80 Prozent. Mittlerweile sind die Lichter in fünf Räumen an – nachmittags an einem schönen Sommertag. Beide Kinder sind deswegen zum Spielen rausgegangen. Wir sprechen zum tausendsten Mal beim Abendessen darüber. Ich bin kein Öko, gebe mir aber Mühe, wie einer zu klingen: Also Stromverschwendung blabla, Klimawandel blabla, Atomkraftwerke blabla. Beide Kinder nicken wissend, geloben Besserung, gehen in ihre Zimmer. Auf dem Weg dorthin bleiben zwei Lampen an.

Dienstag

Yacinta Nandi

Die gute Ausländerin

Mittwoch

Matthias Lohre

Konservativ

Donnerstag

Margarete Stokowski

Luft und Liebe

Freitag

Jürn Kruse

Fernsehen

Montag

Anja Maier

Zumutung

Warum ich das alles aufschreibe? Damit es gedruckt wird. Dann kann ich endlich den Artikel ausschneiden, kopieren, verkleinern und auf die Hälfte aller Lichtschalter kleben. Die andere Hälfte aber wird von leistungsstarken Beamern mit der taz.de-Version bestrahlt. Stromverschwendung? Da können die Kinder von mir noch einiges lernen.