Jetzt wird durchgebetet

Manche wollen um neun, andere lieber um elf. Jugendliche kommen am Abend: Die vom nordelbischen Bischof Hans-Christian Knuth angemahnten flexiblen Gottesdienstzeiten sind in etlichen Gemeinden im Norden längst Realität

Ob Flexibilität mehr Kirchgänger bringt, steht dahin. Trotzdem arbeiten sich Kirchenvorstände und Pastoren derzeit ab an der Frage, ob der sonntägliche Gottesdienst für die Ewigkeit auf zehn Uhr geeicht ist. Ausgelöst hatte die Diskussion eine Ansage des nordelbischen Bischofs Hans-Christian Knuth. Experimente hätten ergeben, dass die populärste Zeit nach wie vor der Sonntagmorgen sei, so Knuth. Zusätzlich müssten aber auf die Gemeinden abgestimmte Angebote erarbeitet werden.

Das sehen auch die Pastoren Hamburgs und seiner Peripherie so. Doch ob Flexibilisierung der Anfangszeiten neue Besucher generiert, ist strittig. „Ich glaube, dass das nichts bringt“, sagt Pastor Martin Barkowski von der Gemeinde St. Nikolai in Finkenwerder. „Wer zur Kirche gehen will, wird das zu jeder Zeit tun.“ Trotzdem findet sein Gottesdienst vorsichtshalber um 10.30 Uhr statt, einmal im Monat gar um 17 Uhr.

Noch weiter geht die Hamburger Innenstadtgemeinde St. Katharinen. Seit Jahren bietet sie ihren Gottesdienst um elf Uhr an, ohne dass allerdings Massen strömten. „Wir sind mit dem Besuch zufrieden“, sagt Pastor Frank Engelbrecht. „Und obwohl ich den zehn-Uhr-Gottesdienst schätze, weil er mehr vom Tag übrig lässt, muss man sich den Menschen anpassen. Und die einzige Chance zum Ausschlafen bietet eben der Sonntag.“

Gänzlich neu ist das Argument „Schlafbedürfnis“ nicht: „Schon im 14. Jahrhundert gab es den späten ‚Langsleper‘-Gottesdienst“, erzählt Michel-Hauptpastor Michael Röder. Auch er hat längst einen Sonntagabend-Gottesdienst eingeführt. „Das bringt ein jüngeres Publikum und zusätzliche Besucher.“

Die Flussschifferkirche wiederum – an der Flaniermeile des Hamburger Hafens gelegen – hat sich den Bedürfnissen der Flaneure gänzlich angepasst. „Wir predigen sonntags um 15 Uhr, weil wir eher auf das Laufpublikum zielen“, sagt Engelbrecht.

Anbiederung also auf der ganzen Linie? So explizit sagt das keiner der Befragten, doch allen ist klar, „dass die Kirche zu den Gläubigen kommen muss“, wie Engelbrecht es formuliert. Manchmal auch aus Personalmangel: Pastorin Claudia Zabel, zuständig für die Gemeinden Garding, Oster-, und Westerhever und Poppenbüll auf Eiderstedt: „Wenn wir wenigen Pastoren hier alle Gemeinden bedienen wollen, müssen wir flexibel sein. Derzeit predigen wir sonntags um neun, zehn, elf und 14 Uhr. Wobei die Langschläfer hier erwartungsgemäß nicht ganz so zahlreich sind: „Die Poppenbüller haben sich einen neun-Uhr-Gottesdienst gewünscht. Das sind Landwirte, die ohnehin früh aufstehen.“ Andererseits: Auch in Oster- und Westerhever leben Landwirte. Und die wollen lieber um zehn.

Sehr individuelle Lösungen sind also gefragt, zumal „die Menschen hier strikt in die Kirche ihrer eigenen Gemeinde gehen, anstatt zum nächsten Dorf zu fahren. Für mich anstrengend, weil ich dieselbe Predigt so mehrfach halten muss.“ Ein komplexes Problem. Die unisono propagierte Lösung: enger Kontakt zur Gemeinde und Mut zum Experiment. PS