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Archiv-Artikel

Die Katastrophe kommt vielleicht. Oder nicht

Der Klimaforscher Hans von Storch hat die internationalen Klimaprognosen auf den Norden heruntergerechnet. Sein Ergebnis: „Für Norddeutschland sind die Folgen beherrschbar.“ Andere Wissenschaftler sehen schwärzer

Als im August 2005 der Hurrikan „Katrina“ New Orleans verwüstet hatte, schrieb der Klimaforscher Hans von Storch in der FAZ ein Plädoyer für die Strategie der „Anpassung“: Um den Klimawandel zu stoppen, müsse der Ausstoß von Treibhausgasen um illusorische 70 Prozent reduziert werden. Die Strategie der Anpassung habe den Vorteil, dass sie politisch leichter durchzusetzen sei – „ohne die Hoffnungen und Erwartungen von mehr als achtzig Prozent der Weltbevölkerung“ zu ignorieren.

Hans von Storch, Leiter des Zentrums für Küstenforschung in Geesthacht, ist immer dann zur Stelle, wenn Weltuntergangsszenarien um sich greifen. Als kürzlich der zweite Teil des Weltklimaberichtes der UNO vorgestellt wurde, warnte er im Spiegel vor „Alarmismus“. Die Reaktion der Menschen auf den Klimawandel gehe nicht in die Prognosen ein, sagte von Storch, das sei „ausgesprochen dumm“.

Dabei war der Klimawissenschaftler aus Geesthacht einer der ersten, der – damals noch am Max-Planck-Institut – eine vom Menschen gemachte Klimaveränderung nachwies. Seine Skepsis bezieht sich lediglich auf die öffentliche Inszenierung des Themas, das zeigte sich auch gestern bei einer Klimakonferenz des Forschungsministeriums im Hamburger Grand Elysée Hotel. Das Thema „Klimawandel in Norddeutschland“ illustrierte von Storch zunächst mit Fotos, auf denen Deichbrüche zu sehen waren und die untergehende Südspitze von Sylt. Sturm sei „das zentrale Wetterrisiko, das wir im Norden haben“, erklärte von Storch und präsentierte Grafiken vom Sturmgeschehen der letzten Jahre. Veränderungen waren darauf keine zu erkennen. „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“, sagte von Storch fröhlich. Die „von den Medien herbei geredete Verschärfung des Sturmklimas“ finde nicht statt.

Anders sehe es mit der Zukunft aus, dazu müssten dann allerdings globale Klimamodelle „mit einem gewissen Wagemut“ lokal heruntergerechnet werden. Das Ergebnis für Hamburg: zehn Prozent erhöhte Sturmtätigkeit bis 2085, die Sturmfluten auf St. Pauli würden im selben Zeitraum um 70 Zentimeter steigen. Zahlen, die groß genug seien, dass sich die Ingenieure Gedanken machen müssten, aber keine Katastrophe.

„Für Norddeutschland scheinen die Folgen beherrschbar“, lautete das Fazit von Storchs. Freilich, das er hatte er vorweg eingeräumt, gebe es eigentlich keine wissenschaftlichen „Vorhersagen“, sondern nur Modelle, die „mögliche Zukünfte“ beschreiben.

Von Storchs Nachredner, Peter Herzig vom Institut für Meereswissenschaften in Kiel, brachte prompt ein anderes Modell ins Spiel. Was, fragt er, würde geschehen, wenn das Grönlandeis nicht langsam wegschmölze, sondern wenn große Teile davon mit einem Schlag abbrächen? Käme der Golfstrom zum Erliegen, mit der Konsequenz eines Temperatursturzes in Europa? „Ich möchte keine Panik verbreiten“, sagte Herzig. Klar sei aber, dass der Meeresspiegel dann höher steigen würde als die 60 Zentimeter zum Jahrhundertende, von denen die meisten ausgingen. DANIEL WIESE