Deutsche Polizei kritisiert Vorgehen in den USA

DEUTSCHLAND Mit ihrer Ausrüstung sind Polizeigewerkschafter hierzulande grundsätzlich zufrieden. Was in der Standardausstattung fehlt: Elektroschocker

„Wir wollen eine Bürgerpolizei bleiben. Mit den martialischen Riten wollen wir erst gar nicht anfangen“

JOACHIM LENDERS, POLIZEI

BERLIN taz | Die Strategie der Einschüchterung durch Stärke lässt sich auch in Europa beobachten. Erst kürzlich rückte die Polizei in Wien zur Räumung eines von 17 Punks besetzten Hauses an: mit 1.700 Beamten samt Panzerwagen. Und in Berlin waren fast 1.000 Einsatzkräfte damit beauftragt worden, den Auszug von Flüchtlingen aus einer besetzten Schule in Kreuzberg voranzutreiben, darunter einige aus Thüringen herbeigerufene Kräfte mit Maschinengewehren.

Dass die Hochrüstung US-amerikanischer Polizisten für Deutschland eine Blaupause sein könnte, verneint Reiner Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), gegenüber der taz entschieden: „Das Auftreten der Polizei in Ferguson ist absolut kontraproduktiv und wird die Konflikte eher fördern als mindern“, sagt Wendt, der als Polizeilobbyist selten um eine martialische Forderung verlegen ist. Auch sein Vize Joachim Lenders, Vorsitzender der DPolG in Hamburg, legt Wert auf die Unterschiede beim Auftreten der Polizei in Deutschland und den USA: „Wir sind eine Bürgerpolizei und wollen es bleiben. Mit den martialischen Riten wollen wir erst gar nicht anfangen.“ Beide, Wendt und Lenders, zeigen sich grundsätzlich zufrieden mit der Ausrüstung der deutschen Bereitschaftspolizei, die Demonstranten mit dem bekannten Dreiklang aus Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern begegnen.

Natürlich fordern sie höhere Investitionen, um stets auf dem neuesten Stand zu sein, besonders auf die Modernisierung des Wasserwerferfuhrparks legen sie großen Wert. „Dabei reicht es nicht, 20 Jahre alte Wasserwerfer blau anzumalen“, so Lenders. Für andere Distanzwaffen, die gegen gewalttätige Massen zum Einsatz kommen könnten, sehen beide aber keine Notwendigkeit. Zwar sieht Lenders „an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit, Gummigeschosse einzusetzen“, doch der Einsatz gegen größere Menschenmengen mit einigen Gewalttätern sei „zu gefährlich“.

Nachholbedarf sehen die Polizei-Gewerkschafter dagegen woanders. So fordern sie die Einführung von Tasern. Die Elektroschockgeräte, die in Deutschland bislang nur von Spezialeinheiten verwendet werden, sollen ihrer Meinung nach für Streifenwagen zur Standardausrüstung gehören. Im vergangen Jahr gaben deutsche Polizisten 42 gezielte Schüsse auf Personen ab, 8 davon mit Todesfolge. Ob sich diese Zahl durch Taser reduzieren ließe, ist fraglich. Die Erfahrung aus den USA zeigt eher, dass Taser vor allem in Situationen eingesetzt werden, in denen Polizisten niemals schießen würden.

Während die Taser-Einführung zwar in einigen Bundesländern diskutiert, aber nirgends entschieden ist, haben die Polizisten mit ihren Forderungen nach immer stärkerer Überwachung bessere Karten. So preist Wendt die Aufzeichnungsmöglichkeiten der neuen Wasserwerfer, und Lenders setzt auf die Ausrüstung seiner Beamten mit Body-Cams. Die kleinen Kameras, die auf der Schulter mitgeführt werden können, sollen die Hemmschwelle zum Angriff auf Polizisten erhöhen. Ab Herbst beginnt in der Hamburger Davidwache ein Modellversuch; in Hessen sind die Kameras bereits im Einsatz.

Von einer Hochrüstung der deutschen Polizei will Andreas Seifert von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) nicht sprechen: „Es gibt keine Aufrüstung in der Waffenform, sondern in der Technologie, besonders in immer bessere Überwachungsmechanismen“, sagt er gegenüber der taz. Eine Einführung von Gummigeschossen oder Schallwaffen (LRAD), die mit einem für das menschliche Ohr unerträglichen Signal Protestler auf Abstand halten können, sei nicht so einfach möglich. „Dafür bräuchte es Eskalationsszenarien, doch so weit ist die politische Diskussion noch längt nicht“, so Seifert. Einen Einsatz der Bundeswehr, etwa zur Niederschlagung von Protesten sieht Seifert ebenso wenig als konkrete Gefahr, dennoch betrachtet er die jüngeren Entwicklungen mit Argwohn. Während einerseits das verfassungsrechtliche Verbot des Einsatzes der Armee im Inneren „immer mehr aufgeweicht werde“, werde gleichzeitig das Training zur Aufstandsbekämpfung in urbanen Gebieten immer wichtiger. 250 Bundeswehrsoldaten, die demnächst in Israel im Häuser- und Tunnelkampf trainiert werden sollen, stehen ebenso dafür wie die Errichtung einer militärischen Übungsstadt in Schnöggersburg.

In Ferguson haben die Ereignisse indes gezeigt, dass man das Militär gar nicht braucht, um militärisch aufzutreten. ERIK PETERS