Die öffentliche Demütigung der Gefangenen von Donezk

DONEZK Separatisten führen Regierungssoldaten einer Menschenmenge vor und bedrohen sie

DONEZK rtr/taz | Prorussische Separatisten haben Kriegsgefangene aus den Reihen der Regierungstruppen zu einem Marsch durch die ostukrainische Stadt Donezk gezwungen. Die Soldaten mussten am Sonntag auf einer Hauptstraße marschieren. Sie gingen gesenkten Hauptes und wurden von einer Menschenmenge als „Faschisten“ beschimpft. Die Aufständischen, die auch Schäferhunde bei sich führten, bedrohten ihre Gefangenen mit Bajonetten. Donezk gehört zu den letzten Städten unter Kontrolle der Rebellen.

In Donezk wurde die Ankunft der Gefangenen über Lautsprecher angekündigt: „Wir sehen jetzt die Leute, die geschickt wurden, um uns zu töten“, hieß es. „Wir sind Russen.“ Aus der Menschenmenge wurden die erschöpft wirkenden Männer mit Flaschen beworfen. Ihnen wurde zugerufen: „Auf die Knie!“ Hinter den Gefangenen fuhren Straßenkehrwagen.

Die öffentliche Zurschaustellung von Kriegsgefangenen ist weithin geächtet und wird in der Genfer Konvention von 1949 ausdrücklich verboten. Die Haager Landkriegsordnung bestimmt, dass Gefangene „mit Menschlichkeit behandelt werden“. Zuvor hatten die Aufständischen bereits zerstörtes Militärgerät im Zentrum von Donezk ausgestellt und damit ihre Gegenveranstaltung zu den Feiern in Kiew eingeläutet.

Eigentlich gab es am Sonntag für die prorussischen Separatisten nichts zu feiern. Denn der Unabhängigkeitstag bezieht sich auf die Loslösung der Ukraine von der Sowjetunion und Russland. Am 24. August 1991 verabschiedete das ukrainische Parlament die Unabhängigkeitserklärung von der UdSSR. Im Dezember des gleichen Jahres bestätigten über 90 Prozent der Bevölkerung in einem Referendum die Trennung.

Seit April dieses Jahres sind bei Gefechten im Osten der Ukraine nach einer Schätzung der Vereinten Nationen mehr als 2.000 Menschen getötet worden. Am Sonntag wurde in Donezk das Gelände des größten Krankenhauses der Stadt von Artilleriefeuer getroffen. Auch das Fußballstadion, in dem vor zwei Jahren noch Europameisterschaftsspiele ausgetragen worden waren, wurde beschädigt.