Merkel macht sich in Kiew für eine diplomatische Lösung stark

DIPLOMATIE Vor dem Treffen zwischen den Staatschefs der Ukraine und Russlands an diesem Dienstag in Minsk steigen die Hoffnungen auf ein Ende des Krieges

BERLIN taz | Viele Beobachter in Kiew sind sich einig: Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Samstag in der ukrainischen Hauptstadt war eine klare Parteinahme und eine Unterstützung für Präsident Petro Poroschenko und seine Regierung. Oder wie es Oleksander Suschko, Direktor des Kiewer Instituts für Euro-Atlantische Kooperation, ausdrückte: „Ihre Visite stärkt die Position Kiews und der EU vor dem Treffen Poroschenkos mit Russlands Präsident Wladimir Putin.“ Das Treffen, an dem neben Poroschenko und Putin auch noch die Präsidenten Kasachstans und Weißrusslands, Alexander Lukaschenko und Nursultan Nasarbajew, sowie drei hochrangige Vertreter der EU teilnehmen, findet am kommenden Dienstag in Minsk statt.

Merkel war am Samstag zum ersten Mal seit dem Ausbruch des Konflikts im Dezember 2013 zu Gesprächen nach Kiew gereist. Dort kam sie außer mit Staatschef Petro Poroschenko auch mit Regierungschef Arsenij Jazenjuk sowie Bürgermeistern mehrerer ukrainischer Städte zusammen.

Mit leeren Händen kam die Kanzlerin nicht. Merkel versprach der Ukraine Finanz- und Wirtschaftshilfe für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur im Osten. Sie kündigte eine Kreditbürgschaft über 500 Millionen Euro für die Energie- und Wasserversorgung und den Aufbau von Schulen sowie 25 Millionen Euro Hilfe für Flüchtlinge an. Zudem sollen 20 im Kampf verwundete Soldaten auf deutsche Kosten behandelt werden. Poroschenko bezeichnete die Ankündigungen als den Beginn eines „Marshallplans“ für den Donbass. „Der Krieg ist nicht unsere Wahl, er wurde uns von außen aufgedrückt“, sagte er.

Im Hinblick auf die kriegerischen Auseinandersetzungen im Donbass mahnte Merkel, die die territoriale Integrität und das Wohlergehen der Ukraine als wesentliches Ziel der deutschen Politik bezeichnete, eine diplomatische Lösung der Krise an. Diese werde sich militärisch nicht beilegen lassen. Dafür brauche es allerdings zwei Seiten. Allein könne man keinen Frieden machen, sagte sie – eine Aussage, die eindeutig an die Adresse Moskaus gerichtet war.

Den diplomatischen Vorstoß Berlins, den einige als einen ersten möglichen Schritt hin zu einer Deeskalation der Krise sehen, stößt nicht überall auf ungeteilte Zustimmung. So schreibt das ukrainische Nachrichtenportal Ukrainska Pravda unter der Überschrift „Der Pakt Merkel-Putin“: „Deutschland, die Lokomotive der EU, hat das Löschen des Brandes im Donbass organisiert. Das alles nur, um weitere finanzielle Verluste für die Wirtschaft des eigenen Landes und der Europäischen Union zu vermeiden.“ Im Weiteren und unter Berufung auf den britischen Independent ist von geheimen Absprachen zwischen Putin und Merkel die Rede, um die Krise in der Ukraine zu lösen. Das geschehe dann aber möglicherweise auf Kosten Kiews.

Auch der Kiewer Politologe Wadim Karasew glaubt, dass die EU-Staaten in erster Linie aus Furcht, weitere wirtschaftliche Einbußen zu erleiden und am Ende zu großen Teilen für die Ukraine aufkommen zu müssen, ihren Druck auf die Konfliktparteien erhöhen. Darin sieht er jedoch eine gute Ausgangsposition, dass bei dem Treffen in Minsk ein Kompromiss gefunden werden könnte, der es allen erlaubt, das Gesicht zu wahren. Das gelte auch für Putin. An der Spitze der Separatisten seien jetzt Russen durch Ukrainer ersetzt worden. Damit habe Putin Kiew die Möglichkeit eröffnen wollen, mit den Separatisten zu verhandeln. „Ein Trend hin zum Frieden ist erkennbar“, wird Karasew von der Onlineausgabe der ukrainischen Zeitung vesti.ua zitiert. „Jetzt muss Poroschenko diese Chance nur noch nutzen.“ BARBARA
OERTEL