Michael Naumann spricht hochdeutsch

Die SPD-Führung in Berlin präsentiert ganz stolz ihren neuen Hoffnungsträger für Hamburg. Der Journalist Michael Naumann bricht eine Lanze für die Politik, erklärt das Prinzip der Partizipation und empfiehlt die Lektüre eines philosophischen Buches

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Die SPD hat wahrlich nicht mehr viele Spitzenleute, die klug und sympathisch sind und ihre öffentlichen Auftritte zugleich mit einer gewissen Stilsicherheit absolvieren. Da kann man es der Parteiführung gar nicht übelnehmen, dass sie ihr neues Juwel gleich der politischen Öffentlichkeit in Berlin vorführt. Also parliert Michael Naumann, Ex-Rowohlt-Chef, Ex-Kulturstaatsminister, Ex-Zeit-Herausgeber, an diesem Montag im Willy-Brandt-Haus in seiner neuen Funktion als designierter Spitzenkandidat der Hamburger SPD mit den Journalisten der Hauptstadtpresse, die für solcherlei Abwechslung auf hohem Niveau natürlich dankbar sind.

Da macht es selbstverständlich gar nichts aus, dass Michael Naumans Thema an diesem Tag „Alles und nichts und Michael Naumann“ heißt. Struktur verleiht der Veranstaltung allein Kurt Beck. Der Parteivorsitzende führt Naumann ein, vergisst aber nicht, sich vorher noch ausgiebig – erstens, zweitens, drittens, viertens, fünftens – durch die Tagesordnung des Präsidiums zu arbeiten. Er spricht von der „Verlebendigung der Programmdebatte“. Naumann steht daneben und hört ungerührt zu. Seine Hand in der linken Hosentasche erzählt mehr als Becks ganzer Vortrag.

Genau gegen dieses Vorurteil muss Naumann allerdings antreten, seit er sich in der vorigen Woche für den harten Alltag eines Parteipolitikers entschieden hat: nur ein Schöngeist zu sein, ein Quereinsteiger, ein Kulturmensch. „Den größten Teil meines Lebens habe ich Firmen geführt“, sagt er also. „Ich habe mit vielen Menschen zusammengearbeitet, ich habe Arbeitsplätze geschaffen. Nur weil einer gerne Bücher liest, heißt das noch lange nicht, dass er keine Ahnung hat von der Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs.“

Naumann wirbt allein schon mit seiner Biografie für ein in Deutschland nicht gerade populäres Programm: die Durchlässigkeit der politischen Klasse. Naumann ist als Verleger in Gerhard Schröders rot-grünes Kabinett gewechselt, hat es freiwillig verlassen, ist in den Journalismus zurückgekehrt, um jetzt wieder in die Politik zu gehen – auf Zeit, wie er betont. „Die unter Journalisten verbreitete Ansicht, dass Politik eine andere Welt sei, ist falsch“, sagt Naumann. Es gehe um die Teilnahme der Bürger an den öffentlichen Angelegenheiten. Weil er hier kein philosophisches Seminar abhalten kann, empfiehlt Naumann den Journalisten ein Buch des Philosophen Volker Gerhardt: „Partizipation. Das Prinzip der Politik“.

Alles, was über das Niveau von Vanity Fair hinausgeht, sorgt unter den Journalisten offenbar für leichte Irritation. Ob er seinen Anspruch und seine Sprache nicht ein wenig herunterschrauben müsse, wenn er auf den Hamburger Kiez gehe, wird Naumann gefragt. Seine Antwort: „Menschen, die nicht unsere feinen Zeitungen lesen, sprechen auch hochdeutsch.“ Er erklärt die soziale Spaltung Hamburgs, insbesondere die Hilfe für benachteiligte Jugendliche, zu seinem Hauptthema. „Alles, was wir jetzt noch wollen, ist siegen.“

Das ist allerdings schon wieder ein ganz anderes Thema.