Es geht nicht um Journalismus

Eine Studie belegt, was wir schon immer ahnten: „Bild“ ist keine Zeitung, sondern ein Macht- und Meinungsmache-Paternoster. Das journalistische Handwerk wird benutzt, wenn es passt

„Bild“-Gesprächspartner müssen bereit sein, öffentlich das zu sagen, was ins „Bild“-Konzept passt

VON STEFFEN GRIMBERG

Springers Bild sieht sich selbst gern als einflussreichste Zeitung der Republik. „Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“, hat Springer-Vorstand Mathias Döpfner vor ein paar Jahren zu Protokoll gegeben. Und damit unfreiwillig genau ins Schwarze getroffen: Das Blatt, so argumentieren Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz in der Studie „Drucksache Bild – Eine Marke und ihre Mägde“, ist nämlich eher Macht- und Meinungsmache-Paternoster als Zeitung.

Bild ist im Kern kein journalistisches Medium“, so die Autoren der Studien. Das Blatt bediene sich zwar „des journalistischen Handwerks“ – aber „nie, um Ziele des Journalismus zu verfolgen, sondern nur, wenn es den eigenen Zwecken nützt“. Wer Bild nur anhand journalistischer Kriterien untersuche, „verfehlt Wesentliches – als ob das Wichtigste an einer Kuh ihr Fell wäre.“ Denn es geht nicht um Journalismus, sondern um Botschaften.

Ihre Thesen entwickeln Arlt und Storz mit Blick auf die Bild-Berichterstattung zur Euro-Krise im vergangenen Jahr. Da hatte es dem Blatt vor allem Griechenland angetan: Bild forderte, das Land aus der Euro-Zone zu schmeißen, und schickte einen Reporter nach Athen, der den verdutzten Einwohnern schon mal wieder Drachmen in die Hand drückte. „Der fleißige deutsche Steuerzahler darf von den faulen betrügerischen Griechen auf keinen Fall ausgenutzt werden. Das heißt: Keine Hilfe für Griechenland!“, fasst die Studie den Bild-Tenor zusammen. Diesem Ansatz würden nun alle Nachrichten, Aspekte, Akteure, Thesen und Forderungen untergeordnet – und „alles andere wird ignoriert. So entsteht eine ganz eigene Sicht auf die Ereignisse, die Bild immer exklusiv hat.“ Eben kein Journalismus.

Dazu passt die Auswahl der Bild-Gesprächspartner. Dabei kommt es nicht auf die Stellung im politischen Leben oder Fachkompetenz an, „sondern auf deren Bereitschaft, dasjenige öffentlich zu sagen, was ins Konzept beziehungsweise die Kampagnenführung von Bild passt“. Damit liegen die Autoren richtig – und erklären auch gleich die große Beliebtheit von Bild bei Hinterbänklern: Der FDP-Medienpolitiker Burkhardt Müller-Sönksen etwa schafft es immer mal wieder auf die vorderen Seiten. Etwa, wenn er erklärt, ARD und ZDF würden durch die Reform der GEZ-Gebühr weitere Milliarden scheffeln. Das ist zwar Quatsch, passt aber prima ins Welt-Bild vom auf Kosten der Allgemeinheit gemästeten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und erfreut ganz nebenbei die Privatsender, mit denen Bild längst nicht nur bei Themen wie „DSDS“ oder „Germany’s next Top-Model“ in Symbiose lebt.

Dabei setzt Bild, wie der Boulevardjournalismus insgesamt, auf radikale Vereinfachung. Und die wenigen Botschaften – wie die von den faulen Griechen, die es sich auf Kosten des deutschen Michels gut gehen lassen – werden „über Wochen hinweg […] in inhaltlich und sprachlich vertrauten Variationen wiederholt“, stellen Arlt und Storz fest. Und das sei eindeutig „ein Instrument der Werbung, […] und keines des Journalismus“, der nun mal das Ziel hat, Neues und vor allem Differenziertes zu liefern. Hier springen die Autoren allerdings zu kurz, obwohl sie sich sowohl im Journalismus als auch in der Werbung auskennen: Arlt war lange oberster PR-Mann beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Storz ist ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Denn was Bild hier betreibt, ist noch ein bisschen mehr – nämlich Propaganda.

Dazu passt auch, dass je nach Gusto Ereignisse dramatisiert und entdramatisiert werden oder das Blatt eine 180-Grad-Wende vollführt, gern signalisiert durch die beliebte Schlagzeile „Jetzt spricht das Opfer“. Die Griechen kamen allerdings nicht zu Wort. Vielmehr gerierte sich Bild hier „als eine Art außerparlamentarischer Opposition, die allerdings kein Interesse daran hat, dass das Volk selbst sich wehrt“, so Arlt und Storz. Damit unterscheide sich das Blatt jedoch so grundsätzlich von journalistischen Medien und ihrer Aufgabe, dass es sich damit eigentlich „selbst aus dem massenmedialen System herausnimmt“.

Genau das unterscheidet Bild auch von anderen Boulvardzeitungen in Deutschland, aber auch von den Urmüttern des Genres in Großbritannien: Gegen Bild ist selbst Rupert Murdochs Sun noch differenziert.

■ Auftragggeber der Studie ist die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung. Volltext und Material unter www.bild-studie.de